Kalimera Korfu
„Sag’bloß keinem, dass Du aus Deutschland kommst“, warnte mich eine Bekannte. „Nach den ganzen Euro-Rettungsfonds, der griechischen Niederlage gegen Deutschland bei der EM und dem Sparprogramm hassen sie die Merkel und alle teutonischen Touristen.“ Dieses Bild geisterte auch hin und wieder in den Medien. Aber wenn man selbst in der Branche arbeitet, weiß man, dass hier nur ein Bruchteil davon der Wahrheit entspricht.
Lange vor den letzten griechischen Parlamentswahlen hatten wir unseren Korfu-Urlaub gebucht. Eine Woche sollte es in der Nordosten der Insel gehen, eine zweite Woche in den Westen. Individual versteht sich. Das zum zweiten Mal.
Bereits im letzten Jahr hatten wir für elf Tage den Nordosten, Achacharvi, besucht. Pauschal und mit der damals 12-jährigen Tochter meiner Frau. Wir beide dachten, dass ihr ein Hotel-Swimmingpool, ein eigenes Apartment mit TV sowie die Möglichkeit, Gleichaltrige in der Ferienanlage kennenzulernen einen unvergesslichen Urlaub garantieren würden. Genau das traf dann auch ein.
Er war für sie unvergesslich – langweilig. Im TV gab es weder RTL noch Pro7. Der Fernseher war mit seiner Monitorgröße ohnehin zu klein und hing zudem noch an der Decke. Neben uns am Pool abzuhängen, während wir lasen, war todeslangweilig. Andere Gleichaltrige kennenzulernen, war uninteressant.
Im Meer vermutete sie Fische, die beißen könnten. Deshalb bot der Strand ebenfalls keine gute Alternative. Einzig das Frühstück, Abendessen und Shoppen gestalteten sich für unsere kleine Prinzessin halbwegs annehmbar.
Die Folge waren ein permanent übel gelauntes Mädel, ein erholungsbedürftiges Elternpaar, das zwischen schlechtem Gewissen, Daueranspannung und der aussichtslosen Bemühung schwankte, doch noch einen halbwegs erholsamen Urlaub für alle hinzubekommen.
Dieses Jahr sollte alles anders werden. In den Süden nur noch alleine. Mit Prinzessin und ihrer 10-jährigen Cousine (als Leidensgefährtin) danach an die Ostsee. Dort gibt es RTL, Pro7, und den ganzen Fernsehquatsch, ein großes Wellen-Spaßbad (Schlechtwetter-Alternative), deutschsprachige Gleichaltrige und viele andere Bespaßungs-Optionen für 13-jährige Pubertierende, die wir auf Korfu niemals auch nur im Traum mitmachen würden.
So lieferten wir Prinzessin in London bei ihrer Tante ab und flogen am nächsten Morgen aus dem 18 Grad kalten regnerischen England schnurstraks auf die um 20 Grad heißere Insel mit Sonnenscheingarantie.
Der Roller-Flopp
Diesmal waren wir mit Rucksack unterwegs, weil wir in Korfu-Stadt auf einen schnellen Motorroller umsteigen wollten. Wir fühlten uns 20 Jahre jünger – bis ich feststellte, dass die Vermieter keine Motorroller über 50 ccm an über 40-Jährige nur mit PKW-Führerschein vermieteten. 50er Roller sind die dümmste motorisierte Erfindung, seit es Ampeln gibt. Man kann mit dem Verkehrsfluss nicht mithalten, wird dauernd hupend überholt und geschnitten und kommt zu zweit (mit Gepäck) keinen Berg hoch. Von denen gibt es auf Korfu genug.
Man muss dazu wissen, dass man vielerorts bei den Helenen die großen 125er oder auch 200er Roller ohne Probleme bekommt. Korfu Stadt weigerte sich und somit saßen wir zwei Stunden später im Überlandbus nach Achacharvi.
Dort hatte ich bei Kostas im vergangenen Jahr einen flotten 125er Roller erstanden, nachdem ich bei seiner Konkurrenz eine Gurke fahren durfte. Kosta ist ein Mittvierziger, der gerne Plato und Aristoteles zitiert. Seine Kinder sind wohlhabende Akademiker und er ist trotz Krise guter Dinge. Schuld an allem seien die internationalen Banken. Und, dass lauter dumme Leute wählen und auch regieren.
Im antiken Hellas nannte man diese Staatsform Ochlokratie – die „Herrschaft des Pöbels“. Einen Platonischen Philosophenstaat würde er sich wünschen. Nur die Weisen sollten an die Macht. Doch, wer bestimmt, wer weise ist und können diese Leute auch von der Macht abtreten, wenn es erforderlich sein sollte? Oder läuft so etwas auf eine Monarchie hinaus, wenn Weisheit, Schlauheit bzw. Intelligenz wieder qua Geburt definiert wird und am Ende lauter bekloppte Blaublüter herauskommen, wie sie Schlagzeilen in den Klatschblättern machen?
König und Königin ja – aber nur für die Straße. Diesmal leistete ich mir die Königin der Roller: Eine nagelneue Vespa, die alles hinter sich ließ. Wir fuhren zu einer Tankstelle. Der Tankwart war gerade dabei, den öligen Boden mit dem Gartenschlauch zu bewässern. Ich versuchte, die rutschige Tankstelle im Zeitlupentempo zu verlassen und der vollgepackte Roller trotzdem kippte um. Vorneweg mein Knie. Krise!
Somit sah ich aus wie tausend andere Touristen, die sich zum ersten Mal ein solches Gefährt ausleihen und erst in der Kurve merken, dass sich Sand oder Wasser auf der Fahrbahn befindet – aber glücklicherweise mit nur einer dicken roten statt blauen Schürfwunde am Knie. Wie peinlich für jemanden, der mit dem Roller aufgewachsen ist. Ich nahm den Verband dann frühzeitig ab.
Die Teelicht-Falle
Die Krise merkten wir dann in unserer ersten Unterkunft – der Villa Petros in Apraos. Wir waren neben einem anderen Päarchen die einzigen in unserem Apartmenthaus am Meer. Und das in der Hauptsaison 2012. Unsere Gastgeber, ein aufgeschlossenes Professoren-Ehepaar, gingen nebenbei arbeiten, um sich über Wasser zu halten.
Dabei war die Unterkunft traumhaft. Die Tochter, eine Innenarchitektin, hatte sich hier ausgetobt und mit dem Apartment ein wahres Kunstwerk mit Podestbett, ausgewogenen Farben und geschmackvollen Mobiliar geschaffen. In den schönen Ablagetisch brannten wir mit unserem Teelicht gleich einen schwarzen Fleck.
Während andere geschickt einen Aschenbecher oder eine Vase über so etwas platzieren, bezahlten wir als ehrliche Häute den Schaden.
Von der Terrasse aus konnte man über die Bucht und auf das Meer blicken. Zum schönen, leeren Sandstrand waren es zu Fuß 10 Minuten Abstieg. Ambiente und Romantik pur. Eine Woche genossen wir die Ruhe und Schönheit dieses Ortes.
Ausflug nach Albanien?
Man konnte von unserer Terrasse aus Albanien sehen. Schon öfters habe ich mich gefragt, warum Albanien kein Reiseland ist. Das einzige, was ich über dieses Land weiß, ist: Es gibt keine albanischen Restaurants außerhalb von Albanien. Niemand kennt irgendeine albanische Persönlichkeit außer Enver Hodscha (und den kennen nur alle über 40-Jährigen).
Albanisch gehört neben Baskisch zu den einzigen europäischen Sprachen, die mit keiner anderen Sprache verwandt sind. Albaner sind in Deutschland eher unbeliebt, weil hier nur die Mafia-Banden Berühmtheit erlangen. Albanien ist rein landwirtschaftlich ausgerichtet und schottet sich gegenüber dem Tourismus ab, also es kommen wenige Devisen ins Land, das einen niedrigen Lebensstandard besitzt. Tirana ist die Hauptstadt. Albanien war zu früheren Zeiten in der Fußball-WM vertreten.
Umweltschutz ist in Albanien ein Fremdwort, so dass sich die Kroaten öfters mal über den albanischen Müll an ihren Stränden und die Wasserverschmutzung aufregen. Ich bin der Meinung, dass man nur dorthin fahren sollte, wo man „eingeladen“ wird. Damit meine ich, dass alles hierfür geschaffen wird, was Besuchern den Aufenthalt angenehm gestaltet und man von Vornherein weiß, dass man willkommen ist. In Griechenland ist das immer der Fall, in Albanien nicht.
Deswegen dauert es dort vielleicht noch ein paar Jahrzehnte, bis Albanien ein Reiseland wird. Ich will jedenfalls kein Pionier oder besser: Versuchskaninchen sein.
Die andere Seite von Korfu
Zurück zu Korfu. Nach einer wunderschönen Woche wechselten wir die Seite nach Liapades. Wir wollten die nördliche Westküste kennenlernen und hatten im Hotel Corfu Pearl ein schönes Apartment mit großem Pool, aber diesmal nicht direkt am Meer, gebucht.
Das ist auch schwer möglich, da es im Nordwesten nur eine Handvoll Strände gibt und man hier ansonsten nur von der Klippe springen kann.
Das Hotel sah aus wie eine Finca und lag mitten auf dem Land, umgeben von Hügeln. Roller sei Dank waren wir mobil und konnten sämtliche Tavernen und Badestellen der bergigen Umgebung gut erreichen.
Stilvolle Tavernen gibt es hier jede Menge in sämtlichen Höhenlagen und mit sehr schönem Ausblick. Das Abendessen war somit stets ein Highlight – die morgendliche Mahlzeit war etwas schwieriger.
Wir standen früh auf – nicht etwa aus sportlichem Ehrgeiz. Wir wollten beim Frühstück nur unserem serbischen Apartmentnachbarn zuvor kommen. Dieser tischte sich quasi das ganze Buffet auf, als wären er und seine ebenso wohlernährte Gemahlin ganz alleine im Land, wo Milch und Honig fließen. In welchem Land? Von Krise war hier weit und breit nichts mitzubekommen. Die war scheinbar nur in Athen. Die Einheimischen hatten mit den vielen Touristen auf dieser Seite der Insel genug zu arbeiten. Auch die Corfu Pearl hatte genügend Passagiere an Bord.
Fazit Eine Woche blieben wir dort, bis wir zurück zu Kosta fuhren, um den Roller abzugeben und von dort mit dem Mittagshitze-Bus nach Korfu Stadt zum Flughafen-Shuttle. Im Nachhinein und nach zwei Urlauben auf der Nordost-Seite Korfus muss ich sagen, dass die Gegend um Achacharvi mit den kleinen Buchten und den vollen Blick auf Albanien uns am besten gefallen hat. Irgendwann werden wir sicher hierher wiederkommen.
Hat dich jetzt das Griechenland Fieber gepackt? Dann stöbere doch mal in unserem Reisebericht über Thessalien rum, vielleicht inspiriert er dich.