Auf nach Norwegen für einen Schneemann

Mal wieder einen Schneemann bauen und Schlittenhunderennen gucken. Wir waren gerade ein paar Wochen aus Südthailand zurück, als wir uns wieder auf dem Weg zum Flughafen machten. Nach der schwülen Hitze wollten wir etwas Abkühlung – und zu einem ganz anderen Ort, an den man im Winter normalerweise nicht reist. Wir flogen über Oslo nach Tromsö (oder Tromsoe), das ganz oben im Norden von Norwegen und nördlicher als Lappland liegt.

Unser Ziel: weite Schneelandschaften, viel Ruhe und unvergessliche Polarlichter.

Flughafen wie im Wellnesshotel

Nach insgesamt vier Stunden Flugzeit landeten meine Verlobte und ich in der nordnorwegischen Studentenstadt Tromsö. Im Gegensatz zu Oslo, wo vom Flugzeug aus vereinzelte Schneedecken das Land befleckten, begrüßte uns ein Schneesturm auf der Landebahn. Glücklicherweise rutschte der Flieger nicht aus und wir purzelten aus der Flugkiste in das kleine aber schicke Flughafengebäude.

Niemals zuvor habe ich so eine entspannte Atmosphäre am Flughafen erlebt wie in Tromsoe. Eine Ruhe wie in einem Museum und eine Freundlichkeit, die für einen Berliner Befremden auslöst.

Am Schalter der Autovermietung erwartete uns ein junger, freundlicher Mitarbeiter, der mir lächelnd die Autoschlüssel hinlegte, nachdem ich höre und staune statt der üblichen sieben bis zehn Unterschriften unter Kleinstgedrucktes nur einen einzigen Kringel unter den leicht lesbaren Vertrag setzen musste. Unser einwöchiger Schnee-Reisetrip begann sehr vielversprechend.

Südwesten-USA

Trolle prügeln Elfen

Es war früher Nachmittag und die Abenddämmerung setzte bereits ein. Man muss wissen, dass in einer Stadt, die nördlicher als Alaska liegt, im Winter das Tageslicht früher ausgeknipst wird. Es ist im Februar gerade mal zwischen 9 bis 15 Uhr 6 Stunden hell. Wir fuhren im „nächtlichen“ Schneetreiben zu unserer knapp 150 Kilometer entfernten Unterkunft, einer Hütte in den Bergen, die auf den Fjorden nahe der finnischen Nordgrenze liegen.

Die Tochter des Vermieters begrüßte uns freundlich, hatte im Gesicht aber ein dickes Veilchen. „Gegen eine Tür gerannt“ sagte sie. „Gegen die Faust des Freundes oder des Vaters gerannt“, dachten wir uns. Tür an Tür mit häuslicher Gewalt – na bravo – und das im Land der Feen und Trolle. Die sollten ihren Märchenfiguren mal weniger Zaubertrank ausschenken und die Straßenbeleuchtung heller machen, vielleicht hilft das.

Aber Norwegen gehört zu den Ländern mit der höchsten Alkoholsteuer und auch wir hatten in unserem Koffer voller Lebensmittel (die in Skandinavien stolze Preise haben) insgesamt 6 Flaschen guten Wein mit dabei, um unser abendliches Candellight Dinner aufzuwerten ohne dabei im speziellen Geschäft für Alkoholwaren gleich arm zu werden.

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Die Chinesen und das Polarlicht

Unsere geräumige Holzhütte besaß mit ihrer 4 Meter hohen Decke und dem Ausblick über eine kleine schneebedeckte Fjord-Ortschaft Charme und hieß „Asia“. Sie hatte als einzige der Unterkünfte keinen Fernseher. Ausgerechnet, wenn gerade der Fernseher ein asiatisches Markenzeichen ist: Den benötigten wir auch nicht. Die chinesischen Gäste hatte man zwei Blockhäuser weiter in „Europa“ einquartiert, mit Fernseher versteht sich.

Asiaten fotografieren bekanntlich sehr gerne. Auch so unsere Nachbarn. Wir im übrigen auch. Zufälligerweise waren wir alle auf das selbe Motiv aus: Ein leuchtend schönes Polarlicht (Aurea Borealis) am weiten Sternenhimmel, das sich über ein ganzes Tal erstreckt. Dafür hatte ich mir drei so genannte Polarlicht-Alarm-Apps auf mein Smartphone geladen. Ist ein Polarlicht im Anmarsch, so meldet sich der Alarm und man kann sich mit dem Fotoapparat bewaffnet auf den Weg in die nächtliche Kälte machen, um das heißbegehrte Motiv vor die Linse zu bekommen.

Zudem legten wir uns mit einem Glas Wein hinter unserer Fensterfront auf die Lauer, um auch draußen den Himmel möglichst lange zu überwachen. Dabei entdeckten wir etwas weiter links im Tiefschnee vor „Europa“ ein Fotostativ, an dem drei frierende Chinesen hin und herwackelten. „Wir hier drin schön warm mit unserem Polarlichtalarm und ihr da draußen schlottert tanzend kurz vor dem Kältetod“, witzelten wir.

Unser Alarm blieb aus und irgendwann war dann für uns Schlafensgehzeit. Am nächsten Tag erzählte uns ein deutscher Guide in der Touristinformation, dass kurz vor uns drei Chinesen da waren und ihm spektakuläre Polarlichtfotos auf ihrer digitalen Kamera gezeigt haben. Zufälligerweise würden diese in der gleichen Unterkunft wie wir wohnen. Dumm gelaufen.

Die nächsten Nächte blieben wir länger wach und einmal erwischten wir ein leichtes Polarlicht, dass sich aber aufgrund der hellen Straßen- und Dorfbeleuchtung sehr schwer fotografieren ließ. Bei unserer nächtlichen Irrfahrt entlang der gut beleuchteten Straßen konnten wir auf die schnelle keinen passenden Ort zum Fotografieren finden.

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Schlittenhunde zu Höchstpreisen in Norwegen

Wer trotzdem bei minimalen Polarlicht etwas aus seiner Kamera herausholen möchte, kann sogar einen Polarlicht-Fotoworkshop mitmachen, wie es ihn auch in anderen „einschlägigen“ Aurea Borealis Gebieten gibt.

Ein Fotograf erklärt den Teilnehmern, worauf sie achten sollen und wenn das Polarlicht dann plötzlich in Erscheinung tritt, dann gibt er Vor-Ort-Support.

Für zahlungskräftige Touristen haben die geschäftstüchtigen Norweger noch jede Menge anderer Kurse und Events auf Lager. Besonders beliebt sind Husky Touren (Schlittenhundefahrten), Snow Mobiles (Schneemotrräder), Iglo-Bauen und Whale Watching (Wale ansehen).

So toll, wie das alles klingen mag, so teuer ist die Angelegenheit. Für eine 3-stündige Schlittenhundetour kann man gerne 300-400 Euro hinblättern (mit was zum Teufel füttern die ihre Huskies? Mit Beluga-Kaviar?)

Vorausgesetzt, man besitzt 6 Huskies: Für dieses Geld kann man die eigenen Hunde aus Berlin mitsamt Schlitten im Flugzeug mitbringen und dafür eine Woche lang durch die schneeweiße Prärie heizen.

Wir entschieden uns für die Spar-Variante und wanderten durch die verträumte, hügellige Schneelandschaft entlang der Langlauf-Pfade.

Unser schlechten Gewissen, dabei die Loipen der Langläufer kaputt zu treten (anders kamen wir im Tiefschnee ohne entsprechende Ausrüstung nicht vorwärts), relativierte sich, als uns die ersten Schneemotorräder entgegenknatterten und den Rest jeder Loipe zerstörten.

Schlittenhunden begegneten wir nicht. Wale auch nicht. Noch nicht mal ein Rentier oder Schneehase zeigte sich. Wahrscheinlich hatte die Tierwelt gerade Urlaub.

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Lappland ohne Rentiere

Das bestärkte uns zu einem Ausflug über die nördliche finnische Grenze, die etwa zwei  Autostunden von unserer Unterkunft entfernt lag. Vielleicht ließen sich hier ein paar lachende Rentiere ablichten, um wenigstens neben den vielen – aber durchaus schönen – Landschaftsmotiven ein paar Nationalsymbole fotografisch festzuhalten. Je südlicher wir fuhren, umso flacher wurde die Landschaft und Lappland besticht durch seine weißen Weiten.

Auf den ersten Blick ist es, als wenn man auf ein Blatt Papier guckt, das direkt vor der Nase ist. Beim genaueren Hinsehen entdeckt man Dinge wie Horizont, Leichte Hügel und ein paar dünne knorrige Bäume. In der Berliner Moma Ausstellung hatte ich ein ähnliches Bild gesehen. Es hieß „Roter Vogel“ und die Besucher starrten lange auf eine weiße Leinwand, um das besagte Tier zu erkennen. Es war aber nicht sichtbar. Wahrscheinlich hatte der Künstler vergessen, den Vogel zu malen und das Bild wurde ausgestellt, weil er berühmt ist. Im wahrsten Sinne des Wortes: Wer weiß.

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Back in Tromsoe

Unsere Tiere, will heißen: schwimmende Robben, skurrile Krabbenarten, lateinisch-namige Tiefseefische und seltene Muscheln, konnten wir dann im Aquarium in Tromsoe fotografieren.

In dieser schmucken Kleinstadt verbrachten wir die letzte Nacht in einem 10 Quadratmeter kleinen Hotelzimmer, das pro Nacht mehr kostete als unsere 60 Quadratmeter große, vollausgestattete 3-Zimmer-Blockhütte „Asia“.

Selbst die Schnellimbiss-Preise haben es hier am Ende der Welt in sich: 15 Euro für einen Döner und eben soviel für eine einfache Take away Pizza Margherita. Wenn das die Studentenpreise sind, was kostet der Spaß dann anderswo in Norwegen?

Andersherum muss es für die Norweger und Skandinavier im Allgemeinen ein Ausflug für uns nach Rumänien in Zeiten des Kalten Krieges sein, wenn sie bei uns in Deutschland einkaufen oder essen gehen.

Aber Rumänen und Flüchtlinge aus südlicheren Staaten haben wir hier auch gesehen, beziehungsweise davon gelesen, dass einige Tage vor unserer Ankunft in Tromsoe norwegische Hooligans gegen die Flüchtlingspolitik demonstriert haben.

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Fazit - must see!

Wenn man punktuell einen Blick hinter die Kulissen wirft, so bekommt die heile Welt der Trolle und Feen auch am Ende der Welt Risse, so fortschrittlich sich Norwegen auch geben mag. Guckt man auf das Schöne, dann findet man viel Ruhe und eine tolle weiße Märchenlandschaft. Das hat alles seinen Preis. Also Koffer voller Lebensmittel, eine gute Kamera und Schneeschuhe nicht vergessen – Nordnorwegen im Winter ist auf alle Fälle ein Must.

Unsere Empfehlung für entspannte Nächte:

MIT-FabLab*– Solvik 

Klasse Blockhütten, großzügig geschnitten und tolle Aussicht. Super Preis-Leistungsverhältnis für das teure Norwegen. Hatten für den selben Preis in Tromsoe ein 8 qm Hotelzimmer bekommen. Fablab ist sehr schön gelegen – großzügige Hütte –  5 Meter hohe Decke, großer Wohnbereich, alles aus massiven Holz, genug Platz zu zweit. Tolle Aussicht und sämtliche Ausflugsziele (Einschließlich Lappland) gut mit Auto erreichbar. Gut ausgestattet und komfortabel.

Reisebericht-Blue-Ridge-Parkway-Aussichtspunkt
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