North Carolina Hillbillies & Tennessee Country

Wer an Tennessee denkt, kommt auf Memphis, Elvis, Dolly Parton und Nashville. Country Musik, die nicht von Johnny Cash stammt, habe ich schon immer als US-amerikanisches Pendant zum Musikantenstadel angesehen. Dabei wissen die Wenigsten, dass sie ursprünglich aus irischem Folk und schwarzem Blues (ferner auch Gospel und Blue Grass) stammt. Besungen wurde das sehr harte Leben der Landarbeiter – Cowboys und Feldarbeiter. Dazu noch christliche Motive und später im reichen Amerika erhielt die Country Musik ähnlich wie die Volksmusik ein heile Welt-Image.

Aber Johnny Cash und Kris Krisdorferson sei Dank gibt es auch anspruchsvolle Facetten. Johnny Cash’s Frau June Carter stammte aus der Gegend, in der unsere Route liegt. Sie war schon mit der Carter Family in den 50er Jahren eine erfolgreiche Country-Sängerin. Ihr Cousin Jimmy, der Erdnussfarmer, hat es immerhin zum Präsidenten der USA geschafft. Heute gibt es in Hiltons, Südwest Virginia eine Gedenk-Location, in der jeden Samstag Konzerte stattfinden.

Wer die passende Musik für den Blue Ridge Parkway sucht, dem kann ich Johnny Cash’s „Indianer-Album“ („Bitter Tears – Ballads of the American Indians“) von 1964 wärmstens empfehlen. Er hat es allen Ureinwohnern aus dieser Gegend gewidmet. Der Song „As long as the Grass shall grow“ wurde zur Hymne. Cash war damit einer der ersten Weißen, die auf die entrechteten Indianer aufmerksam machten.

Rafting mit Seth

Auf Indianer trafen wir im östlichen Bergland von Tennessee ebensowenig wie auf Schwarze. „In meiner Highschool-Klasse, die ich unterrichte, gibt es nur einen Schwarzen,“ erzählte uns Seth, der mit uns eine dreistündige Rafting-Tour durch die Stromschnellen des Watauga Rivers durchführte. „Das war hier schon immer so, dass hier überwiegend Weiße wohnen.“

Der 24-Jährige einheimische Englisch-Lehrer verdient sich nebenbei als Rafting-Guide ein kleines Zusatzeinkommen. Wir waren die ersten Deutschen, die er in seiner bisher vierjährigen Nebentätigkeit an Bord hatte. „Die Touristen kommen aus anderen Bundesstaaten. Ausländische Besucher verirren sich nicht zu uns,“ meinte Seth. Wer verirrt sich schon in die wunderschönen Berge von Tennessee? Ein europäischer Geheimtipp also. Hier der Veranstalter: www.wataugakayak.com

Der freundliche junge Akademiker, der bereits verheiratet war, stand uns drei Stunden lang Rede und Antwort. Ging ja auch nicht anders, sonst hätte er von Bord des Schlauchboots springen müssen. Aber wir verstanden uns sehr gut und wir sprachen über Edward Snowden, amerikanische Kirchen, Rednecks, Tennessee, die Diskussion um ein US Sozialsystem, das Bildungssystem, die Army, Waffen, über Europa, Hannover (wo seine Frau zwei Jahre zuvor war), ungesundes Essen und natürlich Autos. Die beliebtesten Autos in Tennessee sind Seth zufolge Toyotas.

Vor allem der Toyota Corolla ist sehr populär, da er sehr robust ist. Den ersten Kleinwagen in seinem Leben hat Seth 2006 gesehen, gestaunt und gelacht. Auf unserer gesamten Tour von Newark, New Jersey, bis zum Watauga River habe ich insgesamt drei Kleinwagen gezählt: einen Mini, einen Fiat 500 und einen Honda Colt. Wozu braucht man in den USA einen engen Kleinwagen, wenn man nicht in New York oder San Franzisco lebt (wo die Parkplätze rar sind)? Was man ebenso nicht braucht, ist beim Rechtsabbiegen im Spiegel nach Fußgängern oder gar Radfahrern zu gucken. Die gibt es hier nicht. Gehsteige findet man ab und zu. Aber die Distanzen innerhalb der Ortschaften sind hier so groß, dass der Fußweg zum Supermarkt eine Wanderung wäre und das Radfahren ist hier ohnehin gefährlich und entlang der zum Teil achtspurigen Straßen ziemlich eintönig.

Blue-Ridge-Parkway

USA Fetisch: Smith and Wesson

Groß und noch größer ist kein Klischee im Land der unendlichen Weiten. Genauso wenig wie die Verbreitung von Waffen, deren gesetzliche Regelung von Bundesstaat zu Bundesstaat sehr unterschiedlich ist. In Tennessee beispielsweise muss man einen „Adult check“ über mögliche Vorstrafen, etc, über sich ergehen lassen, wenn man sich eine nagelneue Waffe zulegen will. Kauft man sich hingegen eine gebrauchte oder bekommt sie geschenkt, so benötigt man das nicht und es ist trotzdem legal. Die meisten Leute haben eine Waffe im Handschuhfach ihres Autos und im Haus. Das Waffenthema ist heiß umstritten und es gibt sowohl für Befürworter als auch für Gegner nachvollziehbare Argumente. Dort, wo die Waffengesetze am schärfsten sind, passiert am meisten, sagen die einen. Streitigkeiten können schnell tödlich enden, sagen die anderen. Warum sollen – wie in Europa – (abgesehen von Militär, Polizei und Jägern) nur die Kriminellen Waffen besitzen? Warum soll man sich hier auch als friedliebender Bürger nicht einen „Peacemaker“ zulegen dürfen, um sich gegen bewaffnete Kriminelle zu schützen? Eine Waffe alleine macht den Menschen nicht böse. Es ist immer der Schütze und nicht sein „Werkzeug“, von dem die Gefahr ausgeht. In den USA lassen sich die Waffen nicht mehr einsammeln. Dafür sind zu viele im Umlauf. Deshalb: Würde ich hier leben, dann hätte ich schon mindestens eine Smith and Wesson. Einige schräge Vögel habe ich hier schon gesehen, die ziemlich überdreht und latent aggressiv auf mich wirkten. Aber meistens haben wir sehr aufgeschlossene Menschen erlebt. In einem Diner wurden wir sogar von einem älteren Paar als Germans erkannt und sie kamen zu uns, um uns in den USA herzlich Willkommen zu heißen – obwohl sie nie in Europa waren! Wir waren sehr überrascht von dieser Freundlichkeit und Offenheit.

US Fernsehprediger, Amish und Methodisten

Immer wieder ist in den Medien und von USA-Kritikern zu lesen oder zu hören, wie fanatisch christlich die US-Amerikaner seien. Sicherlich gibt es diese Facette in den USA. Die Medien greifen sich gerne Themen heraus, die Sensationen sind und sich deshalb gut verkaufen lassen – mögen sie auch noch so wenig auf Mehrheiten bzw. den „Normalzustand“ zutreffen. Das hat sich auch bei unserem Israel-Urlaub bewahrheitet (siehe Israel-Beitrag). Es ist ähnlich wie mit den Hells Angels, die man in den USA als weltweit am stärksten vermutet, obwohl sich deren international größtes Chapter in Deutschland – Hannover – befindet. Die Macht der Klischees und die Sensationsgier der Medien eben.

Was Religiosität angeht, so gibt es in den USA sicherlich viele Skurrilitäten wie die Amish, die Davidianer, Methodisten, Fernsehprediger und Scientologen. Letztere sind hier absolut schwach vertreten und haben ihre Lobby mit Schauspielern wie Tom Hanks, John Travolta oder Tom Cruise. Deshalb werden sie immer wieder in den Medien thematisiert. Das sind verwirrte Celebrities und keine Führer einer Massenbewegung.

Streng genommen könnten die Amis andersherum den Deutschen religiösen Fanatismus vorwerfen. In den USA wäre eine staatliche Kirchensteuer undenkbar. Bei uns hat jedes Dorf seine Kirche und Religion ist (neben Ethik) Unterrichtsfach. Auch hier (an der Ostküste gesehen) gibt es an jeder Ecke eine baptistische, evangelisch geprägte Kirche, die bei uns unter „Freikirche“ laufen würde. Offiziell sind es in den USA ca. 18 Mio. Mitglieder. Hier kann jede Gemeinde die Bibel auslegen, wie sie will und man wird erst als Jugendlicher oder Erwachsener (unter Wasser, daher stammt der Begriff Baptist -Untergetauchter) getauft, wenn man sich bewusst für diese Religion entschieden hat – und nicht schon zwangsweise als Säugling wie in Deutschlands Kirchen. Baptisten treten für die Trennung von Kirche und Staat sowie für Religionsfreiheit ein. Das kommt u.a. von ihren calvinistischen Einflüssen. Man darf nicht vergessen, dass in den vergangenen Jahrhunderten auch viele Menschen (z.B. Calvinisten) aus Europa in die USA geflohen sind, weil sie dort religiösem Fanatismus und Intoleranz ausgesetzt waren.

Ich kann schwer einschätzen, wie tolerant die Amis (insofern man sie über einen Kamm schert) nach dem 11. September 2001 heute gegenüber dem Islam sind. Aber als wir in Pennsylvania aus dem Outlet Center auf den Parkplatz kamen, habe ich dort beobachten können, wie eine muslimische Familie vor aller Augen auf ausgerollten Teppichen betete. Das habe ich selbst in Kreuzberg oder Neukölln in den vielen Jahren noch nie auf einem öffentlichen Parkplatz gesehen.

Natürlich steht und fällt die Religion mit dem, was die Menschen vor Ort damit machen und dörfliche soziale Zwänge gibt es bei uns genauso wie in der US-amerikanischen Kleinstadt. Würde man den US-Amerikanern Fernsehbilder vom Kreuzgang in Altötting, von Kruzifixen in bayerischen Klassenzimmern, vom Bischofssitz von Tebbarz-von-Elst oder dem Kirchentag in Berlin zeigen, so hätten sie ein sehr klerikales Bild von Germany. Doch das Bild mancher jungen US-Bürger scheint ein anderes zu sein.

Seth war letztens zu einer Motto-Party eingeladen: „Europa“. Nicht gehobene Kultur oder etwa Bildung standen dabei im Vordergrund. Es war der Alkohol. Wir Europäer sind in Seths Bekanntenkreis für unsere Saufgelage berühmt. Anders als bei Seth zu Hause. In vielen Supermärkten und Diners gibt es keinen Alkohol. Während man hier in Tennesse (oder auch anderen Gegenden der USA) auf einer Party nicht über den Durst trinkt (die Ausnahme bilden junge College-Besucher, Obdachlose und Militärabgänger), um nicht als Alkoholiker abgestempelt zu werden, ist bei uns der Alkohol unabdingbar für geselliges Beisammensein. Bei dem einen das obligatorische Glas Rotwein, bei dem anderen das frisch gezapfte Bier. Das überrascht nicht.

Blue Ridge Parkway

Ausflug nach Mecklenburg, USA

Die Temperaturen in Banner Elk und Umgebung waren wie bei uns in Berlin. Stete 23-26 Grad Celsius. Für einen Südstaaten-Aufenthalt im Mai dann doch etwas frisch. Das lag aber an der Höhe. In den gesamten Appalachen bewegt man sich stets in 800 bis 1700 Metern Höhe. Banner Elk lag in 1400 Metern.
Um festzustellen, ob wir trotz Bergen wirklich in den Südstaaten unterwegs waren, unternahmen wir einen Tagesausflug nach Mecklenburg County – bei Charlotte (nach New York/ Manhattan die zweitgrößte Bankenmetropole der USA). Genauer gesagt: zu einem öffentlichen Badestrand am riesigen Lake Norman, der 240 Km entfernt war. Kaum waren wir nach etwa 80 Kilometern am Fuße des Gebirges angelangt, blies uns ein 35 Grad heißer, trockener Wind durch die offenen Autofenster. Die Landschaft ist hier verspielt hügelig und sehr weitläufig. Die allermeisten Dörfer wirken wohlhabend. Am wunderschönen, ruhig gelegenen Badestrand des Sees, der in einem State Nationalpark liegt, hielten sich nur um die zwanzig Badegäste auf – alle Amis in der prallen Sonne und wir als Europäer im Schatten. Kaum zurück in den Bergen gewitterte und regnete es bei 22 Grad. Das ist dann der Preis für einen Bergurlaub. Alles ist kälter und das Wetter unbeständiger.

Sapphire: Auf nach Transsylvanien

Am nächsten Tag ging es weiter, 260 Km in den Süden, nach Transylvanian County – nach Sapphire. Wieder ein Nobel-Ort. Erwartet hatte ich in Transsylvanien Fledermäuse. Doch am Empfang des Resorts (Foxhunt Sapphire Valley) begrüßte uns ein Schild am Tresen: „Vorsicht Bären“. Man riet dem Besucher: „Die Bären sind aus dem Winterschlaf erwacht und deshalb hungrig. Bitte wandern Sie nicht mit Lebensmitteln, lassen Sie sie nicht im Auto liegen und helfen Sie mit, diese wunderbaren Tiere zu schützen!“ Alles klar, schützen wir die Bären, dachte ich mir.

Unser Haus befand sich diesmal in nur 800 Metern Höhe mitten im Wald – wie gesagt im Bärengebiet, komfortabel ausgestattet mit zwei Schlafzimmern, zwei Bädern, zwei Terrassen über zwei Etagen. Meine Frau und ich hätten hier die Tage jeweils alleine verbringen können, um uns dann in der Küche zu treffen. Taten wir aber nicht. Nur beim morgendliche Joggen meiner Frau trennten wir uns. „Meinst Du, ich treffe unterwegs auf Bären?“, fragte sie mich. „Nimm‘ vorsichtshalber die Tröte mit, dann hört Dich der Bär und ich auch,“ riet ich. Mit „Nee, was soll ich neben meiner Musik noch alles schleppen – da kommen schon keine Bären“ schien das Thema dann geklärt. Letztendlich fuhren wir zum Freizeitbereich des Resorts, wo sie mit anderen Läufern und ohne Bären ihre endlosen Runden in 800 Metern Höhe drehen konnte, während ich am iPad saß und nebenbei Fotos machte. Morgens ist eben nicht meine aktive Zeit; vor allem nicht vor langen Wandertouren.

Am Badestrand des nahegelegenen Gebirgssees lernten wir den Tennislehrer des ansässigen Country Clubs kennen. Belustigt erzählte er uns, wie kürzlich ein Bekannter von ihm beim Gassi-Gehen auf einen Bären traf. Bären stehen auf Hunde. Das wusste der Mann und ließ seinen Hund zurück, während er selbst davon eilte. Letztendlich schien der Hund den Bären nicht zu interessieren; vielleicht hatte er gerade einen anderen verspeist und war satt. Seitdem war zwischen Hund und Herrchen das Vertrauensverhältnis etwas gestört. Vielleicht legen sich die Bergbewohner deshalb Hunde zu, dachte ich mir. Kommt der Bär, wirf ihn den Hund vor die Klauen. Dann kommst Du da heile raus.

Auch bei unseren nächsten Ausflügen ins nahe Gelegene South Carolina und zu den wunderschönen, einsam gelegenen Whitewater Falls – den größten Wasserfällen östlich des Mississippis blieb der Bär aus. Wahrscheinlich hatte er meinen Blog gelesen und wollte mir einen Strich durch die Rechnung machen. Oder die Bären waren satt.

Reisebericht-Blue-Ridge-Parkway-Wandern
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