Alter Schwede, ist das teuer
Wer nach Schweden, in unserem Fall vor Weihnachten 2016 nach Stockholm, reist, sollte den Kofferraum voll mit Essen packen und guten Wein nicht vergessen. Das Land ist für Normalsterbliche teuer und Alkohol bekommt man wie in den USA in bestimmten Läden – natürlich auch zum höheren Preis als bei uns. Im Supermarkt zahlt man mindestens das Anderthalbfache und im Restaurant das Doppelte wie bei uns. Einzig der Kaffee ist billig, da man in vielen Cafes kostenlos nachschenken kann.
Die Hotelpreise liegen ebenfalls höher als bei uns, aber sie bewegen sich noch innerhalb der Schmerzgrenze, wenn man Schnäppchen findet. Bei der Zimmer-Suche sollte man aber stets darauf achten, ob das Hotelzimmer ein eigenes Bad oder gar ein Fenster besitzt. Ähnlich wie in Istanbul scheint man hier alles zu vermieten, was vier Wände besitzt und größer als vier Quadratmeter ist, eben nur teurer als am Bosporus. Beliebt sind Bootskajüten, Gemeinschaftsunterkünfte und Kellerräume. Aber auch für Parkplätze verlangt man in Stockholm hohe Preise.
Parkplatzwahnsinn
Bei unserer Suche spielten der kostenfreie Parkplatz, das Frühstück und die Nahverkehrsanbindung die entscheidende Rolle. Hotelparkplätze in der schwedischen Metropole kosten pro Nacht bis zur Hälfte des gebuchten Zimmers. Anders ausgedrückt: Wenn man Glück hat und ein passables Hotelzimmer für 90 Euro pro Nacht findet, so kann der Parkplatz gut und gerne bis zu 45 Euro kosten. Wir hatten Glück und fanden eines der wenigen guten Hotels (Maude’s Hotel Enskede ) mit kostenfreiem Parkplatz, leckerem Frühstücksbuffet und idealer Nahverkehrsanbindung.
Besonders einfallsreich ist die Stockholmer Stadtverwaltung, wenn es um die Parkraumbewirtschaftung geht. Ein einträgliches Geschäft, wie es sich herausstellte. Nach einer kleinen Stadtrundfahrt stellten wir unser Auto nahe der Markthalle (die im übrigen nicht besonders sehenswert ist) in der Parkzone etwa vier Meter vor der Ampel ab.
In Berlin hätte hier locker ein Auto vor das unserige gepasst, ohne, dass es rechtswidrig gewesen wäre. Anders in Stockholm. Ein Passant warnte uns, hier zu parken, da exakt und unsinnigerweise acht Meter Abstand zur Ampel eingehalten werden müssten; ganz gleich, ob es in einer Haupt- oder kleinen Seitenstraße sei.
Als wir wegfuhren, sahen wir die Ordnungshüter mit einem Maßband und weiten Schritten von einem parkenden Auto zur davor stehenden Ampel schreiten. Die innerstädtische Parkuhr verlangt etwa drei bis vier Euro pro Stunde; abhängig davon, ob man in der „roten“ oder „blauen“ Parkzone steht (was für unwissende Touristen schwer herauszufinden ist). „Falsch“ parken kostet in Stockholm ab 100 Euro. Eine einfache Fahrt im Nahverkehr liegt bei 3,20 Euro. Das sollte man zumindest einmal tun, um die teils kunstvoll gestalteten U-Bahnhöfe anzusehen.
Stockholmer Zimtschnecken
Was die Spritzigkeit der Bewohner angeht, so scheint Stockholm das Wien Skandinaviens zu sein. So langsam, so gemütlich. Das fiel uns besonders in den Supermärkten an der Kasse auf, wo wir gefühlte Stunden warteten, weil jedes Lebensmittelstück behutsam und im Schneckentempo vom Einkaufswagen auf das Laufband gelegt wurde. In einigen Fällen lasen die Einkäufer sich die Produktbeschreibung ausgewählter Produkte ihres Einkaufs durch oder drehten ihre Milchtüte so lange, bis sie für die Kassiererin richtig in Position gebracht wurde. Ich habe darüber nachgegrübelt, warum das so ist und bin noch zu keinem Ergebnis gekommen. Vielleicht essen sie zu viele Zimtschnecken.
Meine Frau und ich, die an der Kasse als eingespieltes Team agieren und es sogar schaffen, den gesamten Großeinkauf (egal, ob bei Lidl oder Kaufland) zeitgleich in Tüten einzupacken, während die Kassiererin ihn an der Kasse durchzieht, waren in Stockholm für alle Anwesenden entweder die Supermarkt-Stars, eine Sensation oder ein Pärchen auf Speed, ein Fall für die Drogenberatung.
Die Toilettenfigur: Stockholmer Political Correctness
Die Schweden, insbesondere die Stockholmer, sind bekanntlich ein Vorbild für Demokratie und Gleichberechtigung. Böse Zungen behaupten, dass sie es mit ihrer Political Correctness gar übertreiben. Um das einschätzen zu können, haben die paar Tage unserer Anwesenheit leider nicht ausgereicht. Lediglich eine politisch korrekte Toilettenfigur in vereinfachter Ausführung ist mir mehrmals über den Weg gelaufen: In Museen, Cafes und anderen öffentlichen Orten.
Als Strichfigur auf einem Schild für genau einen einzigen Toilettenraum vereint: Hetero- Frau und -Mann sowie Schwuler und Lesbe. Gefehlt haben auf dem Schild unter anderem die Strichfiguren für Schwarze, Gelbe, Rote, Senioren, Kinder, Behinderte, Juden, Moslems, Buddhisten, Christen, Hinduisten, Kurden, Israelis, Palästinenser, Armenier, Naturvölker aus Manaus sowie politisch Verfolgte.
Insbesondere, da Stockholm ziemlich multikulti ist und sein will, fühlen sich wahrscheinlich einige Kulturen gegenüber der „weißen, mitteleuropäischen“ Figuren benachteiligt. Ich bin der Meinung, dass jeder Mensch (zumindest auf der Toilette) gleich ist und man die Sache ganz unkompliziert mit einer stilisierten Toilettenschüssel abkürzen kann – eben mit dem, worum es geht. Aber Political Correctness scheint den Schweden Spaß zu machen; selbst dann, wenn es unsinnige Züge annimmt.
Kunst und Kultur im Venedig des Nordens
Stockholm ist aber nicht nur skurril oder teuer. Wer Kunst- und Kulturbegeistert ist, kommt ebenfalls auf seine Kosten. Beeindruckt haben uns architektonisch und künstlerisch das Museum für Moderne Kunst sowie das Fotografiemuseum, in dem man sich einen halben Tag aufhalten kann, um danach im obersten Stockwerk in einer sehr gemütlichen Lounge-Bar abzuhängen.
Auch die Altstadt von Stockholm mit ihren verwinkelten Gassen und Häusern aus dem 16./17. Jahrhundert ist sehr sehenswert. Hier findet man neben Cafes und Restaurants jede Menge kleiner Boutiquen, Sammlerläden und Souvenirshops.
Was sich lohnt, ist das Schloss Drottingholm außerhalb der Stadt mit seinem Versailles-ähnlichen Park sowie das Stockholmer Schloss – auf einen Kaffee mit Carl Gustaf und Silvia. Um Stockholm zu erkunden, geht man über viele kleine Kanäle, ähnlich wie in Amsterdam. Den Beinamen „Venedig des Nordens“ kann Stockholm wahrscheinlich eher wegen der hohen, vergleichbaren Preise beanspruchen. Singende Gondeln oder einen regen Wasserverkehr haben wir nicht gesehen.
Walk the Viking Line
Zu Wasser haben wir dann auch Stockholm in Richtung Finnland verlassen. Das erste Mal über Nacht in einer schicken Außenkabine auf einer dieser großen Fähren. Dafür mussten wir mit anderen 400 Autos zwei Stunden warten, um eingecheckt zu werden. Ich begann, aus Langeweile die Fensterscheiben zu polieren. Zehn Minuten später begannen sämtliche Fahrer rund um unser Auto ebenfalls, ihre Scheiben zu wienern. Ich konnte es mir gerade noch verkneifen, die Politurcreme mitsamt der Watte aus dem Kofferraum zu holen und loszulegen.
Dann ging alles ganz schnell und wir waren zehn Minuten später in unserer Kabine mit Doppelbett und Blick auf den Hafen. Für schlappe 180 Euro inklusive „Parkplatz“ wollten wir uns diese eine Nacht in der MS Amorelia leisten, um etwas Kreuzfahrt-Feeling zu tanken. An Bord gab es für die über 2.000 Passagiere unter anderem mehrere Restaurants, einen Nachtclub, Konzerte, Spa, Bars, Duty Free Shops und unendlich viele Geldspielautomaten. Wir waren uns einig, dass wir so eine schwimmende Las Vegas-Casino-Bettenburg nicht länger als einen Tag ertragen könnten und waren froh, nach einer Schunkelfahrt über die stürmische Ostsee am nächsten Tag in Finnland anzulegen.
Ein Kann aber kein Muss
Stockholm ist eine schöne Stadt, wenn man Leute besucht, Schweden mag und nichts gegen überteuerte Hotels und Restaurants hat. Das ist das Fazit meines Reiseberichts Stockholm: Wer viel in Europas Metropolen herumgekommen ist, für den ist Stockholms Altstadt schön, aber nicht umwerfend.
Hier gibt es weitaus beeindruckendere Städte wie Sankt Petersburg, Florenz, Paris, Berlin oder London. Mit den Menschen, auch, wenn viele von ihnen etwas langsam zu sein scheinen, haben wir nur gute Erfahrungen gemacht. Stockholmer Gutmenschen eben.