Mit den Waltons auf dem Blue Ridge Parkway

Mit der British Airways (BA) hatten wir einen Monat zuvor bei unserem letzten Flug in die britische Hauptstadt eigentlich gute Erfahrungen gemacht. Nun ging es am 23. Mai 2014 um 6 Uhr früh mit Airberlin nach Paris und von dort aus mit der BA nach New York.

Der Plan: Meine Frau und ich mit einem SUV entlang der Ostküste zur 700 Kilometer langen Panorama-Straße „Blue Ridge Parkway“ und von Atlanta wieder mit der BA zurück nach Hause. Städte, Berge, weite Landschaften, Highways und viel Autofahren.

Gibt es bei der BA eine vierte Klasse?

Wir stiegen also in London in unsere BA Maschine ein. Ganz vorne die erste Klasse mit komfortablen Liegesitzen, dann kam der nächste Bereich mit schönen breiten ebenfalls ausklappbaren Sesseln. Doch leider führte uns unsere Sitzplatznummer in den hinteren Bereich, der im Gegensatz zu den ersten beiden Klassen wie eine kleine Kammer für Backpacker wirkte. Alte, enge Sitze. Noch nicht einmal Kopfhöreranschlüsse; geschweige denn, Displays, wie bei Langstreckenflügen üblich. Wahrscheinlich gab es in diesem Flieger noch eine vierte Klasse: unten im Gepäckraum.

Von alledem stand im Online-Buchungsvorgang nichts. Im Internet sind ja bekanntlich alle gleich. Anstatt der Displays bekam jeder Passagier während des Fluges ein mit Filmen und Musik bespieltes iPad mit Kopfhörern ausgehändigt. Pares inter Pares: Das Flugpersonal war immerhin bemüht, uns arme Schlucker aus der Backpacker-Kammer freundlich zu bedienen.

Eingerollt wie schwedische Zimtschnecken (die in den USA übrigens sehr beliebt sind) erreichten wir nach acht Stunden den Liberty International Airport in Newark bei New York. Am Gepäckband erfuhren wir, dass unsere Trolleys einen späteren Flug nehmen wollten. Ein Mitarbeiter nahm unsere Daten auf und versprach, dass wir unser Gepäck am Abend im Hotel vorfinden würden. Wahrscheinlich brauchte diese Maschine im Gepäckraum Platz für die vierte Klasse. Das alles erschien uns halb so schlimm, da wir ohnehin gleich vom Flughafen zur Shopping Mall wollten, um uns neu auszustatten. Aber im Gepäck waren die Toilettenartikel, die Wanderschuhe, mein Fernglas, eine gute Schweizer Uhr, die teure Kamera…

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Interkontinentalflug, Power-Shopping & Road-Trip an Tag 1

Vom Gepäckrollband aus sollten wir mit einem Schienenersatz-Bus zu den Autovermietungen befördert werden. Wir stiegen also in den betreffenden Bus, der dann losfuhr. Einmal um den Block, dann hielt er wieder an der gleichen Stelle. Dann fuhr er wieder um den Block, um noch einmal an der selben Stelle zu halten. Dann startete er nochmals und ich dachte mir, täglich grüßt das Murmeltier.

Etwa 20 Minuten später begrüßte uns die Alamo-Check-in Konsole, die mich in einer endlosen Schritt für Schritt Anleitung durch den Fahrzeug-Anmietvorgang führte, um am Ende meine Kreditkartennummer nicht zu akzeptieren. Wer gerne Mikado spielt, hat Freude an solchen Automaten. Ich hatte Glück – Mit viel Geduld kam schließlich ein stattlicher SUV Chevrolet Captiva heraus, den wir uns aussuchen durften. Hauptsache groß und dick – wie der Fahrer.

Wir starteten zum größten Outlet Center der Region, in dem wir weitere sieben Stunden Walking durch volle Shops und Gymnastik in Umkleidekabinen machten. Völlig geschafft fuhren wir nach Ladenschluss und 80 Kilometern Highway in unser erstes Hotel. Wer dort nicht auf uns wartete, das war unser Gepäck.

Dafür hatten wir ein sehr schönes Holiday Inn Express Hotel, das im Grünen lag. Anders als typische US-amerikanische Hotels starrte uns hier kein Kühlergrill in’s Fenster. Das Frühstück hatte nur halb so viel Plastikverpackung wie sonst üblich.

Die Hotelmitarbeiterin versprach uns, bei dem Gepäckservice anzurufen, um sich nach dem Befinden unserer Trolleys zu erkundigen. Vielleicht kamen sie erst nachts oder morgens an. Auf der BA-Gepäckseite im Internet gab ich unter „liefern an“ vorsichtshalber die Adresse unseres nächsten der acht folgenden Hotels ein, das etwa 300 Kilometer weiter nahe Philadelphia lag. Ein typisch deutscher Beschwerdetext durfte natürlich auch nicht fehlen.

Kann man dem Kundenservice der British Airways trauen? Nein, dachten wir uns und stellten trotz Shopping in New Jersey fest, dass wir weder Unterwäsche noch weitere Kleidung für 15 Tage besaßen. Unser Misstrauen gegenüber großen Fluggesellschaften gab uns Recht und das Gepäck ließ sich auch am Morgen nicht blicken.

Also hieß es: Sport statt Kulturprogramm. Statt Philadelphia-Besichtigung wieder das Walking- und Workout-Programm in einem großen Shopping Center mit anschließenden 300 Kilometern Highway nach Laurel, Pennsylvania.

Reisebericht-Blue-Ridge-Parkway-See

Laurel: Anders als bei Dick & Doof

Trotz seines Namens ist dieser Ort nicht halb so lustig wie das berühmte Komikerpaar aus den 40er Jahren. Eine ziemlich abgerockte Gegend mit einem Schuss Ghetto-Feeling, wie wir in einer spätnächtlichen Erkundungstour bemerkten. Um noch ein paar wichtige Dinge einzukaufen, fragten wir nach einem Supermarkt. „Gleich um die Ecke“ meinte die freundliche Hotelfrau und beschrieb uns den Weg, als wäre es eine 5-Minuten-Angelegenheit. Wir überlegten, ob wir zu Fuß gehen sollten, entschieden uns aber dann wegen der späten Uhrzeit und den Tüten für das Auto. Mit dem brauchten wir 15 Minuten dorthin! Wir hatten ganz vergessen, dass es hier (bis auf wenige Ausnahmen) keine Fußgänger gibt und jegliche Wegbeschreibungen immer nur für Autofahrer gelten. Zu Fuß wären wir locker eine Stunde dorthin unterwegs gewesen. Der Supermarkt war um diese Uhrzeit gut besucht.

Während im ländlichen Brandenburg abends um acht Uhr die Gehsteige hochgeklappt werden, geht man in Virginia auf dem Dorf mit der ganzen Familie um 23.30 Uhr zu Walmart einkaufen. Vielleicht hängt das mit dem vermeintlich besseren Fernsehprogramm zusammen: in den USA guckt man bis in die Puppen und bei uns schläft man nach der Tagesschau ein. Auch, wenn Gewerkschaftler jetzt schimpfen: Warum haben bei uns die Geschäfte auf, wenn man normalerweise arbeitet und schließen dann, wenn sich der Laden gerade gefüllt hat? Für einen Amerikaner wären die deutschen Geschäftszeiten völlig absurd.

Im Laurel quartierten wir uns in einem typischen Motel (Red Roof Inn) ein: großer Parkplatz, das Fenster zum Gang, laute Klimaanlage und Wände aus Pappe. Wenn hier jemand einen Schuss abfeuert, würde die Kugel wahrscheinlich durch das ganze einhundert Meter lange Gebäude gehen. Aber gut, dass in dieser Nacht die Waffen in den Holstern schliefen.

Gegen Mitternacht telefonierte ich dann mit dem BA Gepäckservice, dem ich bis dato bereits drei E-Mails geschickt hatte. Die Mitarbeiterin reagierte freundlich, lachte sogar am Telefon über unsere gepäcklose Situation. „Ihr Gepäck befindet sich derzeit noch über dem Atlantik“, versicherte sie. „Aber wir werden Ihnen die Trolleys noch auf dem Boden der USA aushändigen.“ Einwandern wollte ich hier nicht, sondern nur 16 Tage Urlaub machen. Wir einigten uns darauf, dass wir unser Gepäck zwei Tage später in Tennessee vorfinden würden, wo wir drei Nächte in einem Resort verbringen wollten.

Washington D.C: Auf nach Sauberland

Am nächsten Tag verließen wir mit einem 7/11-Kaffee (in den USA und in Thailand sehr zu empfehlen) Laurel schnell, um erst in den nächsten Shopping-Tempel und dann nach Glen Allen bei Washington D.C. aufzubrechen. Das Hotel (Comfort Suites Innsbrook) war wieder ein kleines Highlight. Sehr gut ausgestattet und sauber wie der ganze Ort, der dafür übrigens in Virginia ausgezeichnet wurde. Das sieht man dem Ort sofort an. Jedes schwäbische Dorf mit Kehrwoche würde hier vor Neid erblassen. Der ganze Ort sieht aus, als wäre er mit der Zahnbürste gesäubert worden und nach Müll sucht man hier vergebens. Ein Kontrastprogramm zu Laurel. Es gab hier sogar ein Viertel, in dem man Europa zu imitieren versucht: ein paar enge Straßenzüge mit Gehsteigen und „Cafes“ zum draußen sitzen.

Das Ganze wirkte auf uns, wie eine 90er Jahre Vorstadt-Siedlung in Kirchheim. Ohne Charme und Spirit. Es ist, als wenn wir in Berlin ein China-Viertel, nur ohne Chinesen, bauen würden. Aber diese seltsame Siedlung mag als absolute Ausnahme ein Versuch gewesen sein, good old Europe hier anzusiedeln. Dann ist mir das typische US Straßenbild lieber: ewig breite Straßen ohne Gehwege und viele große Parkplätze vor großen Läden, daneben die Vorstadtsiedlungen mit dem Golfrasen auf dem zaunlosen Grundstück. Wir befanden uns noch in den Nordstaaten. Wer es nicht weiß: Kurz unterhalb von Washington D.C. beginnen die Südstaaten – und nicht erst in Alabama oder Louisiana.

Da die Koffer noch unterwegs waren, kamen wir mit 20 Papier- und Plastiktüten in das schicke Hotel. Nur ein Einkaufswagen, eine Zottelfrisur und eine Decke über den Schultern fehlten uns, um den Kontrast perfekt zu machen. Nach dem üblichen Plastik-Frühstück mit Waffeln aus der Maschine, Muffins, Weißbrot mit Ham und Vanille-Kaffee ging es weiter zu unserem eigentlichen Ziel: der Blue Ridge Parkway.

Reisebericht-Blue-Ridge-Parkway-Aussichtspunkt
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