New York und die ländliche Umgebung

Ich hatte mich seit jeher gesträubt, die USA zu besuchen. Zum einen liegt das an der langen Flugzeit, zum anderen sieht man fast jeden Winkel dieses Landes täglich in Film und Fernsehen. Vielleicht wird man ab einem gewissen Alter etwas gelassener und neugieriger. Meine Frau wollte schon immer nach New York. Das gab den Anlass, ihr zum Geburtstag den Flug zu schenken. Damit geht die Reise los:

Allein ohne Navi

Nach 8 Stunden Flug erreichen wir mittags den Flughafen Newark, der außerhalb von New York City liegt. Wer denkt, dass er bei der Ankunft gleich nach Guantanamo weitergeleitet wird: Die Einreise geht nach ca. 30-minütiger Wartezeit erstaunlich schnell. Keine Kreuzverhöre und Durchsuchungen seitens der Grenzpolizei. Wir sind ja nur Berliner aus Lichtenrade.

Dann mein schlauer Schachzug. Anstatt mit Koffern und Taschen durch die übervolle Subway mit fünfmal umsteigen nach Uptown Manhattan, nehmen wir bequem ein schönes Mietauto und fahren erstmal in ein Outletcenter zum Shoppen. Der Tag ist nach dem langen Transfer ohnehin gelaufen. Was ich bis dato nicht wusste: Ich hatte vergessen, die Maps des Bundesstaates New Jersey in meine Navi-App zu laden. Newark liegt ebendort! Soviel zu meinen Geografiekenntnissen über die USA.

Reisebericht-New-York-von-oben

DER HUND VON SYDNEY

Glücklicherweise haben die Amis für doofe deutsche Texter (und doofe Einheimische) die Bundes- und Landstraßen mit dem Zusatz der jeweiligen Himmelsrichtung ausgeschildert. So reicht es, ungefähr zu erahnen, wo man hin muss. Nach etwa zwei Stunden Fahrerei erreichen wir das Outletcenter Woodbury Common.

Es liegt im Nordwesten von NY City und beherbergt gefühlte 100 Stores bekannter Marken wie Armani, Levis, Nike oder DKNY. Man könnte es auch „Little Tokyo“ nennen, weil hier überwiegend Japaner einkaufen. Warum ausgerechnet hier und nicht in China (wo die Sachen ja überwiegend produziert werden), das scheint ein japanisches Staatsgeheimnis zu sein.

Das Internet und ein paar kaufwütige Bekannte haben uns hier hin gelotst. Das Woodbury wird in zahlreichen US-Reiseforen als „das Preisparadies für Markenklamotten“ hochgelobt.

Doch anstatt Lacoste Polohemden auf dem Wühltisch für zwei Dollar das Stück erfährt man hier eine dezente Ernüchterung. Die Preise sind dieselben wie bei den Berliner US-Ablegern von Tj Maxx; lediglich ist die Auswahl hier größer.

Wirkliche Schnäppchen findet man selten. Auch die Levis-Jeans bekommt man hier nicht für 20 Dollar; lediglich einzelne Modelle um die Hälfte vom Normalpreis 54 Dollar. Zudem gibt es bei den Marken qualitative Ausschussware, die in den Outletcentern angeboten wird.

Reisebericht-New-York-Taxi

US-Verkehr

Nach dieser kalten Shoppingdusche fahren wir nach der Rushhour in Richtung Manhattan zu unserem Appartment. Diesmal mit funktionierendem Navi. Wer schon mal (wie ich vor 2 Jahren) ohne Navi und direkt vom Flughafen aus quer durch den Bangkoker Berufsverkehr gefahren ist, der lacht über den Verkehr in New York. Es ist ganz einfach: Man muss nur fahren – und wegen der vielen Abzweigungen sehr schnell die Spuren wechseln können. Da die Amis ein kommunikationsfreudiges Volk sind, hupen sie oft und gerne zu jeder Gelegenheit. Das darf man nicht so ernst wie bei uns nehmen. Einfach mithupen und Spaß haben.

Auf den Highways hingegen gondelt man mit einer erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 65 Meilen pro Stunde durch die Landschaft. Das sind schlappe 105 Km/h. Fährt man wie bei uns, so stehen alle 10 Meilen Polizeiautos mit Radargeräten bereit. Stellt sich die Frage, warum BMW so beliebt in den Staaten ist. Uns wollten sie bei Avis auch einen andrehen. Anders ausgedrückt: Wer will schon wie ein Löwe im Käfig mit einem Sportwagen nur innerhalb der Tempo 30- Zone fahren? Dann lieber gemütlich auf dem Sofa sitzen und die Fototapete ansehen.

Man fährt nämlich lange durch große Mischwälder und sieht ein Haufen Greifvögel in der Luft und tote Waschbären am Straßenrand. Vielleicht mag die Geschwindigkeitsbegrenzung und die damit reduzierte Umweltverschmutzung mit ein Grund sein, dass die Wälder hier nicht so mitgenommen aussehen wie bei uns.

Man muss es den Amis lassen: Die Landschaft ist hier viel schöner und naturbelassener als bei uns. Selbst der breite Grünstreifen neben der Autobahn ist penibel auf Golfplatzniveau geschnitten. Die Gegenfahrbahn wird durch ausreichend Wald getrennt.

Selbst die Autobahnraststätten und Tankstellen haben sie im geschmackvollen Landhaus-Style gebaut. Die Dörfer bestehen größtenteils aus Holzhäusern in allen möglichen Ausführungen. Vor jedem zweiten Haus steht ein Pickup. Zäune scheinen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten tabu zu sein. Dadurch wirken die Ortschaften aufgeschlossen und freundlich. Man hat eben viel Platz.

New York auf Speed

In New York City ist das etwas anders. Mein erster Eindruck von dieser Stadt: groß, laut, hektisch und bunt. In Manhattan sind die Straßen auf Durchzug geschaltet. Sie ziehen sich in geraden Linien kilometerweit wie auf einem Schachbrett über die ganze Insel. Keine Kurve oder Sackgasse bremst diese Verkehrsadern. Beim Feng Shui nennt man das Energieautobahnen, die zur Ruhe- und Rastlosigkeit der Bewohner beitragen. Rast findet man im wunderschönen Centralpark, der mit seinen Seen, Wäldchen, Felsen und Hügeln sehr verspielt wirkt.

Am Wochenende wird er von zehntausenden New Yorkern bejoggt von Baseball-Kids bespielt. Einen besonderen Charme besitzen das gelbe Taximeer, das sich durch die Straßen zieht und die etwa 12-stöckigen Backstein-Altbauten im Kontrast zu den Wolkenkratzern und Häusern im holländischen Stil. Ein bunter Mix der Architektur vieler Epochen. Nichts passt wirklich zusammen.

“It can destroy an individual, or it can fulfill him, depending a good deal on luck. No one should come to New York to live unless he is willing to be lucky.”

E. B. White, Here Is New York

Unser schickes Zweiraum-Appartment befindet sich in einem 12-stöckigen Gebäude aus dem frühen 20. Jahrhundert. Während man in Berlin aus der 9. Etage über die ganze Stadt blicken kann, schaut man hier in die gegenüberliegenden Wohnungen. Alles größer eben.

Wie im Film werden die Fenster nach oben aufgeschoben. Die Türknäufe dreht man wie den Schlüssel in die falsche Richtung. Die Aufzüge würden vom deutschen TÜV ins Museum verbannt werden. Man kann ja auch die Treppe in den 9. Stock nehmen.

An vielen Häusern sieht man Feuertreppen; nur an den Hochhäusern nicht (wo man sie ja eher vermuten würde). Aber wer hier wohnt, kann froh sein überhaupt eine Bleibe gefunden zu haben.

Die Mieten haben hier ein astronomisches Niveau. Für eine 2-Zimmer Wohnung mit 50 Quadratmetern bezahlt man hier (je nach Lage) aktuell zwischen 3.000 bis 4.000 Dollar pro Monat.

Reisebericht-New-York-Freiheitsstatue

Weißbrot in Harlem & Bronx

Was unseren ersten Eindruck über die Bewohner dieser Stadt angeht, so fand ich die Leute ziemlich geschäftig und gestresst, die wir nach dem Weg gefragt hatten. Einzige Ausnahme: ein deutscher Tourist, der uns von sich aus sein Navi angeboten hat, damit wir den Weg finden.

Mein Eindruck der Multikulti-Metropole: Die Weißen laufen überwiegend in Uptown Manhattan und Soho, etc. herum. Die Schwarzen in Harlem und Bronx.

Einen halbwegs ausgewogenen Mix findet man in East-Brooklyn, dem Kreuzberg von NY City. Auffällig ist auch, dass die schlecht bezahlten Jobs überwiegend von Latinos erledigt werden. Das ist z.B. Koch, Servicepersonal, Hauswart, etc.

Hier leben viele illegale Einwanderer, ohne deren billigen Arbeitskräfte die Amerikaner ein größeres wirtschaftliches Problem hätte, als es momentan der Fall ist. Sie leben in Vierteln wie East Brooklyn, Queens oder den traditionellen Schwarzen-Gegenden.

Schuld an der Bronx und an Harlem sind die Dänen und Holländer. Die Familie Bronck aus Dänemark hatte auf dem Gebiet der Bronx ihren Bauernhof und in Harlem wohnten mal überwiegend Niederländer.

Beide Gegenden erinnern von der Architektur und vom Flair her an den Londoner Stadtteil Brixton. Sie stehen vor dem Umbruch, da hier viel spekuliert wird und die Mieten entsprechend steigen. Aber auf der Straße ist davon wenig zu spüren.

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