Schottland - ab in den Regen

Wir lieben schlechtes Wetter. Auf unserer Nordic-Tour im Winter 2016/17 durch Skandinavien und das Baltikum hatten wir uns jede Menge Schneeflocken erhofft und dafür überwiegend grau-regnerisches Wetter bekommen. Wenn schon Regen, dann sollte es wenigstens Großbritannien sein. Hier lachen die Leute, während sie einen Regenschirm in der Hand halten und sich bei Temperaturen um den Gefrierpunkt mit der anderen Hand ihre Shorts hochziehen oder den Minirock zurechtrücken.

Nach zahlreichen England-Aufenthalten entschieden wir uns für einen Reisebericht Schottland. Das Land von Nessi, Braveheart und gutem Single Malt Whiskey. Für uns neu und auf die Schnelle bezahlbar. Hin mit Easyjet – zurück mit Ryanair.

Südwesten-USA

Alles Easy mit der Flug-Sicherheit

Die Abfertigung am Flughafen war diesmal sehr unterhaltend. Der Easyjet Mitarbeiter hatte Probleme, seinen Abfertigungs-Computer in Gang zu bringen. Dabei kamen wir auf den geplanten Streik der Flughafen Mitarbeiter zu sprechen. Trotz Überstunden und stark erhöhtem Fahrgast-Aufkommen erhalten viele Angestellte am Flugplatz Schönefeld (das Wort Flughafen wäre übertrieben) gerade einmal den Mindestlohn; ganz gleich, ob sie seit einem Monat oder 10 Jahren beschäftigt sind.

„Außerdem erhält der Mann, der ganz am Eingang nur den Barcode der Tickets scannt viel mehr Gehalt als ich“, so unser Easyjet Mann, „obwohl ich weitaus anspruchsvollere Aufgaben erfülle.“

Auch von den hohen Sicherheitsstandards des Flughafens weiß er zu berichten: „Kürzlich hat es ein blinder Passagier ohne Ticket in das Flugzeug geschafft. Er hat sich einfach durchgemogelt.“ Auf die Frage, wie das sein kann, erwiderte er lediglich:

„Wenn Sie einfach raus aus dem Terminal quer über den Flugplatz und die Landebahn laufen, dann würde es etwa eine Stunde dauern, bis irgendwer vom Sicherheitsdienst sie fragt, was sie eigentlich suchen.“

Warum sollte sich der Sicherheitsdienst bei Mindestlohn und schlechten Arbeitsbedingungen ein Bein ausreißen, um so unbedeutende Vorfälle wie Flugplatz-Flitzer oder blinde Passagiere zu verhindern, dachten wir uns alle. Gleichzeitig begann ich, die Mitreisenden näher unter die Lupe zu nehmen, besonders diejenigen mit langen Zottelbärten.

Mein Blick fiel aber auf einen etwa 55-jährigen dünnen Mann mit Shorts und Strumpfhose, dessen ganzer Körper volltätowiert zu sein schien, seine Stirn zwei (wohl mit Silikon gespritzten) „Hörnern“ zierten und der das ganze Gesicht voll mit Piercings hatte.

Die Frage war, wie er die Sicherheitsschleuse bewerkstelligt hat und wer von den anderen wartenden Passagiere gerne neben ihm sitzen wollte. Vielleicht verhinderte dieser als „Teufel“ auftretende Schotte die Anwesenheit von Salafisten im Flugzeug und war damit ungewollt das Maskottchen für unseren Flug.

Reisebericht-Blue-Ridge-Parkway-See

Im Porsche Cabrio durch die Highlands?

Glücklicherweise landeten wir nicht im Himmel (oder eben der Hölle) sondern auf der Erde. In Glasgow – bei Regen versteht sich. Unser Weg führte schnurstracks zur Autovermietung, wo ein Kleinwagen auf uns warten sollte. „Guten Tag, ich möchte gerne den reservierten Porsche Cabrio abholen“, leitete ich, wie immer bei den Car Rentals, meine Begrüßung ein. Der schlagfertige Budget-Mitarbeiter konterte mit „den gibt es leider nicht mehr, dafür kann ich Ihnen einen Fiat 500 anbieten.“ Scheinbar waren wir beide uns sympathisch und am Ende stiegen meine Frau und ich in einen sportlichen Audi A3 – zum Kleinwagen-Tarif versteht sich.

Dummerweise befand sich der Fahrersitz auf der falschen Seite und uns fuhren anfangs jede Menge Falschfahrer (das Wort Geisterfahrer scheint in den Medien tabu geworden zu sein) entgegen, bis ich schließlich dauerhaft die Spur wechselte. Trotzdem ist der Linksverkehr eine koordinative Herausforderung, den Kaffeebecher beim Autofahren in der anderen Hand halten zu müssen – ganz abgesehen vom Schalten und in den Rückspiegel gucken.

 

Schottenunterkünfte – Schottenpreise?

Ohne Unfall schafften wir es, zu unserer Unterkunft zu gelangen, die etwa 90 Minuten nördlich von Glasgow inmitten eines Nationalparks lag. Das Hotelportal versprach mithilfe gestochen scharfer Fotos eine superschicke großzügig geschnittene Hütte mit Blick über das Tal.

Auch das Wort „Bergblick“ kam in der Beschreibung vor. Uns erwartete eine kleine Hütte am Berg mit Blick auf denselben Berg. Mit den Hochglanzbildern hatte sie nicht viel gemein.

Ok, bitte ein upgrade, bat ich den Vermieter und zeigte auf meinem Handy auf seine anderen leerstehenden Hütten mit Blick über das Tal, etwa um die Hälfte des Preises höher, den wir bereits in Vorkasse bezahlt hatten. „Leider werden alle diese Hütten gerade renoviert und ich habe nur eine einzige Alternative,“ wollte er uns weismachen.

„Die kostet aber mehr als das Doppelte – zuzüglich Strom.“ Warum seine günstigeren Unterkünfte trotzdem online zur Vermietung angeboten wurden, wollte er uns nicht erklären. Er sei nunmal der Besitzer und das Portal handele eh nur in seinem Namen. Also sei ihm das egal. Wir bekamen Bedenkzeit und sahen uns die „Alternative“ an.

Es handelte sich um die Hütte, die wir auf den Fotos gesehen und ausgesucht hatten. Während ich in den Buchungsportalen nach anderen Unterkünften recherchierte, verliebte sich meine Frau in dieses Chalet wegen des Blicks über Tal, Berg und See.

Letztendlich gaben wir grummelnd nach, konnten den Preis etwas herunterhandeln und hofften, dass die Strompreise in Schottland für Touristen dieselben sind wie für Einheimische – zumal die ganze Hütte mit Strom beheizt wurde.

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Rain rain rain

Wenn es in Schottland regnet, hat das meistens nichts zu heißen. Im nächsten Moment kann die Sonne scheinen und 20 Kilometer weiter regnet es weiter. Der Regen scheint hier zum Tagesablauf dazuzugehören und wechselt sich ständig mit allen anderen Witterungen ab. Das macht das Wandern höchst unberechenbar und damit unattraktiv.

Wenn man Pech hat, wandert man bei blauem Himmel mit Sonne los und auf dem Berg fängt es an, aus Kübeln zu schütten. Wenn man wieder unten ist und durchnässt in das Auto steigt, strahlt die Sonne wieder.

Das ist absolut unsexy und braucht auch kein Naturbursche. Allen „falsche Kleidung“- und „Friesennerz“-Sprüchen zum Trotz entschieden wir uns für eine zehnstündige Autowanderung mitsamt Fotoapparat auf die Insel Skye.

Land der motorisierten Pfadfinder

Zum Straßenverkehr in Schottland ist zu sagen, dass ich noch nie so vielen freundlichen Autofahrern begegnet bin. LKWs fahren auf der Landstraße links ran, um die Wagenkolonne hinter sich vorbeizulassen.

Wartet man bei Fahrbahnverengungen auf den Gegenverkehr, so wird übertrieben oft zugewunken und man lässt am Rande wartende Autos gerne in die Stauschlange einfädeln.

„Jeden Tag eine gute Tat“, denkt sich der schottische Autofahrer und steigt damit weltweit in die motorisierte Pfadfinder-Liga auf.

In Deutschland hingegen ist der Mittelfinger der häufigste Autofahrergruß. Abdrängen und nicht hinein lassen gehören zum guten Ton. Wenn es hier nicht diesen Linksverkehr gäbe, sollte man deutsche Verkehrs-Rowdies auf deren Kosten nach Schottland zur Fahrschule-wiederholen verdonnern.

Anzumerken ist hier dabei, dass ich hier zwar viele Blitzer-Warnschilder (Kamera-Symbol) gesehen habe, aber noch keinen einzigen Blitzer.

Entweder werden diese in den Felswänden und Bäumen versteckt oder es handelt sich tatsächlich um Hinweisschilder für Touristen, dass man hier fotografieren sollte.

Dem kamen wir nach – auch ohne entsprechende Ausschilderung, da ganz Schottland (zumindest auf dem Land) wie eine große Fototapete aussieht, in die man einfach reinfahren kann.

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Schottische Mythen und Schlachten

Die schottische Landschaft ist mit hunderten von Seen und Mooren, verspielten Hügeln, alten Wäldern, saftigen Wiesen mit panoramahaften Weiten, felsigen Steilküsten und langen Sandstränden wunderschön. Zu unserer Jahreszeit (im März) mehr braun als grün aber sie sieht trotzdem immer noch verträumt aus und der Regen macht sie nicht unattraktiver. Die richtige Kulisse für Märchen, Mythen und Legenden.

Wer im Reiseführer nachliest, kann dort Orte finden, an denen in der Vergangenheit Schlachten stattfanden, Könige thronten und Mel Gibson am Filmset zu sehen war. Sucht man diese Ort auf, so deutet (außer entsprechende Hinweisschilder) nichts auf diese Ereignisse hin. Schöne schottische Landschaft eben. Im Falle von Mel Gibsons Braveheart und Liam Neesons Rob Roy, die beide am Ben Nevis, mit 1343 Metern Höhe dem höchsten Berg von Großbritannien, gedreht wurden, steht man auf einem Parkplatz.

Auch Loch Ness haben wir besucht. Ohne Ungeheuer sieht dieser See absolut unspektakulär aus. Aber rund um den See ist Nessi in Form von Hotelnamen, Andenkengeschäften, Pubs und Devotionalien präsent und lockt Gäste aus aller Welt an. Man kann sagen, dass die Einwohner von Loch Ness seit 565 n. Chr. eine gute PR-Arbeit leisten und zuletzt das umstrittene Nessi-Foto von 1934 heute noch für den nachhaltigen Tourismusboom in der Region sorgt. Loch Ness steht für fast jeden Schottland-Reisenden und jeden Reisebericht auf der Agenda.

Edinburgh – mehr als nur Moabit

Ebenfalls ein „Must See“ ist Edinburgh (kein Rechtschreibfehler: das „h“ gehört tatsächlich dazu). Das Wetter meinte es diesmal den ganzen Tag gut mit uns und wir fuhren unter blauem Himmel und strahlendem Sonnenschein in Schottlands Hauptstadt. Unser erster Eindruck, als wir in Richtung Innenstadt fuhren: Das sieht ja aus wie der Berliner Stadtteil Moabit. Alles etwas abgerockt, multikulti und sehr belebt. Je weiter man in die Innenstadt kommt, umso spätmittelalterlicher wirkt die Stadt mit ihren gotischen Kirchen, dem Schloss und den engen Gassen, die von der auf einem Hügel gelegenen Fußgängerzone talwärts abgehen.

Jede Menge kleiner Läden von Cupcakes bis zu Whiskys und vom Schottenrock bis zu Harry Potters Zauberstab kann man hier finden. Wer das schottische Nationalgetränk aber zu normalen Preisen kaufen will, kann im normalen Supermarkt bis zur Hälfte der in Whisky Shops angebotenen Preise bezahlen: Unsere Flasche Jura Single Malt (35ml) kostete bei Coop 15 £, während sie im Shop für 27 £ zu haben war.

Unsere Fotosafari führte quer durch die Innenstadt direkt in’s World’s End , um die angeblich besten Fish and Chips von Edinburgh auszuprobieren. Dass wir hier richtig waren, verriet schon die fettige Luft im Pub. Anstatt einer Abluftanlage setzt man hier auf die Kleidung der Gäste, die eine gewisse Filterfunktion haben.

Der Besucher als Frittierfilter – das ist ökologisch durchdacht und kostensparend. Das Gericht selbst bestand aus einem großen frittierten Fisch, der in dicke Pommes und Dosenerbsen eingebettet war.

Daneben eine Fingerhut kleine Schale mit fetter Mayonnaise und drei Zier-Salatblätter. Der Fisch schmeckte saftig und frisch, die Pommes waren gut und die Erbsen eben aus der Dose. Kein Highlight, aber schmackhaft für umgerechnet schlappe 15 Euro. Das frisch gezapfte Bier rundete die Sache ab und der Fettgeruch in unserer Kleidung hinterließ einen unvergesslichen Eindruck.

Wir verließen den Pub und kamen auf der Royal Mile an einer Menschentraube vorbei, die einem Entfesselungskünstler beiwohnte, der mit einer schweren Eisenkette eingewickelt auf einem Podest stand, laut Sprüche klopfte und dabei einen Cowboyhut trug. Rechter Hand befand sich direkt vor Schottlands Hauptkirche, der St. Giles Cathedrale, ein Stand mit der Aufschrift „Elaine Davidson – the most pierced woman in the world“ . Leider war die Dame nicht anzutreffen. Vermutlich hörte sie sich die Geschichte ihres Gatten an, der mit uns in Glasgow gelandet war und ihr über die ganzen Spießer (uns mit einbezogen) im Flugzeug berichtete.

Etwa 200 Meter weiter stand eine weitere Kirche, die aber nicht mehr in Betrieb war. Scheinbar hatte der Pfarrer zu langweilige Gottesdienste gehalten oder die benachbarte St. Giles Cathedrale mit Mrs. Davidsons Stand bot einfach mehr. Anstatt zu beten konnte man hier kaufen:

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Die ehemalige Kirche ist nun eine kleine Markthalle für selbstgemachte Accessoires und Mode. Es wirkt jedenfalls blasphemisch, in einer spätgothischen Kirche zu stehen und dort keltischen Schmuck zu kaufen. Die katholischen Missionare hätten ihren Glauben verloren und die Druiden einen Freudentanz veranstaltet, wenn sie damals gewusst hätten, was aus dieser Kirche einmal wird.

Während in anderen Ländern wie Polen, Italien oder Spanien die Kirche im Dorf bleibt und gepiercte Guinessbuchrekordhalter und heidnische Kelten lieber in der Hölle als vor oder in dem Gotteshaus gesehen werden, scheint die schottische Kirche mitten im Leben zu stehen.

Das ist auch insgesamt unser Eindruck von „den“ Schotten. Freundlich, bodenständig und sehr normal. Dazwischen immer wieder bunt und ausgeflippt – sei es als Gruftie, Punk, Schottenrock oder in irgendeinem Kostüm (als Bunny oder Cow – wie es auf der Insel gerne auch mal im Nachtleben getragen wird). Und Whisky trinken sie gerne.

Whisky statt Cola

Wer in Schottland reist, kommt nicht am Nationalgetränk, das Exportschlager Nummer 1 ist, vorbei. Hier habe ich zum ersten Mal Whisky als Getränk ohne Cola wahrgenommen. Wahrscheinlich gehört das wie klassische Musik, guter Wein und geschmackvolle Hotelzimmer zu den (spießigen) Eigenheiten von über 40-Jährigen – zumindest in unserem Kulturkreis.

Wer Whisky in Schottland zu „Schottenpreisen“ kaufen will, sollte erst einmal im Supermarkt nach Schnäppchen Ausschau halten. So habe ich eine Flasche Single Malt „Jura“ im Supermarkt 34 EUR bezahlt, während sie in Edinburgh im Whisky-Shop das Doppelte kostete. Wer Whisky trinkt, kann viel Geld ausgeben: Liebhaber legen schon mal 500 bis 1000 EUR für eine Flasche auf den Tisch. Die sollte dann bei der nächsten Hausparty weit weg von der Cola-Flasche stehen.

Fazit

Nicht umsonst heißen die Highlands so, da Schottland ist ein absolutes Highlight ist. Die perfekte Kulisse für Fantasy- und Mittelalterfilme, die Landschaft ein großes, begehbares 3-D-Poster mit viel Loch Ness und Braveheart-Ambiente. Das Wetter ist so vielseitig wie das Wetter und es ist immer ein paar Grad wärmer als auf dem Festland.

Ein Mietauto gehört unbedingt dazu, wenn man Schottland innerhalb von einer Woche erkunden will. Ebenso die Fähigkeit, beim Autofahren den Arm aus dem rechten Fenster hängen zu lassen (anstatt aus dem linken). Schottland sollte wie Norwegen, Neuseeland, New Mexico und Alaska auf der Bucket-Liste jedes Worldtravellers stehen. Immer gerne wieder!

Reisebericht-Blue-Ridge-Parkway-Aussichtspunkt
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