US Amerikanische Fresstempel

Korpulent geht es auch in den All-you-can-eat Diners zu. So einen besuchten wir nach dem gelungenen Schießbuden-Ausflug. In fast jeder Kleinstadt findet man chinesische, texmex oder „normale“ Buffet-Diners, bei denen man sich für 11 bis 13 Dollar vollstopfen kann, bis der Arzt kommt. Wer als Superschwergewicht hier einkehrt und am Kuchentresen steht, dem glaubt man die Geschichte mit der Stoffwechselerkrankung nicht. Ist auch nicht schlimm, so lange man im Flugzeug nicht nebeneinander sitzen muss.

Man findet in den Fresstempeln sogar Salat-Bars. Üblicherweise ist hier nicht viel Gesundes zu erwarten, das Gemüse ist absolut geschmacksneutral und man ertränkt den Salat in einer der vielen dicken Dressingsaucen. Wer vorgibt, abzunehmen, nimmt dann die „zuckerfreie“ Sauce. Noch heute glauben viele Amerikaner (und auch Europäer), dass in „zuckerfreien“ Lebensmitteln kein (künstlicher) Zucker enthalten ist. Die Gläubigkeit, dass Zusatzstoffe und Pillen und nicht eine gesunde Ernährung im Zusammenhang mit Bewegung die Allheilmittel sind, wird in den USA immer noch von der Fernsehwerbung genährt. Aber es gibt Hoffnung.

Sobald wir auf unserer Tour ein Apartment oder Haus hatten, konnten wir im Biomarkt einkaufen. Bezeichnenderweise trifft man hier ein ähnliches akademisch-linksliberal aussehendes Publikum wie in Berlin-Prenzlauer Berg. Das Gemüse hat hier mehr natürlichen Geschmack und kann mit unserem Supermarktgemüse von Aldi, Lidl, Penny und Co gut mithalten. Wer beim Reisen allergrößten Wert auf sehr gutes Essen legt, sollte besser in Europa (außer Großbritannien) bleiben bzw. lieber nach Spanien, Frankreich, Italien oder gar nach Deutschland reisen. Wer wie wir auch mal einen kulinarischen Survival-Urlaub macht, sollte sich mit Donuts, Waffeln, Burgern und Steaks begnügen. Dafür haben die USA jede Menge anderer schöner Seiten zu bieten.

Vollgestopft wie die Weihnachtstruthähne verließen wir den Fresstempel und am zweiten Tag St. George in Utah ging es in den berühmten Zion Nationalpark. Dieser Park ziert Fototapeten und Postkarten. Er wird von den Bussen direkt nach dem Grand Canyon angesteuert. Alle fahren dorthin.

Reisebericht-Colorado-Utah-Arches

Zion Nationalpark

Nun standen wir mit unserem Dodge in der Warteschlange vor dem Eintrittshäuschen und die Blechlawine schob sich an der Kasse vorbei direkt auf die Straße, die durch den Park führte. Zahllose Reisebusse und Massen an Touristen aus aller Welt belagerten den Park. Dabei sieht man hier das im „Kleinformat“, was fast überall im Süden Utahs zu sehen ist.

Mit dem Besuch dieses Parks wurde uns bewusst, dass die vielen Pauschaltouristen einen bestimmten Anlaufpunkt brauchen, an dem sie ein kleines Stück Utah zu sehen bekommen, bevor ihre Busse am selben Tag nach Las Vegas oder in den Grand Canyon weiterreisen.

Der Zion Nationalpark ist wie eine „kleine“ beschauliche Ranch, zu der die Leute kommen, um sich die Pferde im Stall anzusehen, während drumherum im ganzen Land große Herden von Wildpferden zu sehen sind. Das für 25 Dollar Eintritt pro Auto.

Selbst schuld dachten wir uns und verließen den Park nach einem kurzen Fotoshooting auf schnellstem Wege.

Wikinger in Utah

Am kommenden Tag ging es nach einem typisch US amerikanischen Waffel-Toast-Rührei-Frühstück (das unverständlicherweise Besucher aus Deutschland in der Hotelbewertung lobten) auf den Highway in Richtung Fountain Green, einem Bergdorf 100 Kilometer südlich von Salt Lake City. Wir näherten uns „Little Denmark“ (hier wohnen viele Nachfahren der angesiedelten Skandinavier) und dem Mormonen-Land. Dazu sollte man wissen, dass hier 60 Prozent von Utahs knapp drei Mio Einwohnern mormonischen Glaubens ist und man in fast jedem Dorf eine monumentale Spitzdach-Tempel-Kirche findet (in denen Nicht-Mormonen keinen Zutritt haben). Das hängt damit zusammen, dass seit den 1850er Jahren in Europa seitens „der Kirche Jesu Christus der heiligen der letzten Tage“ sowie der Regierung verstärkt der Zuzug von Mormonen gefördert wurde.

Es kamen große Trecks von Gläubigen aus ganz Europa über die Ostküste auf den beschwerlichen Landweg, um hier ein neues Leben zu beginnen. Nachdem Utah in die Vereinigten Staaten von Amerika aufgenommen wurde, lockerte sich das enge Verhältnis von Bundesstaat zu Kirche und man schrieb deren strikte Trennung in die Verfassung, ebenso wie die Religionsfreiheit und das Verbot von Sekten in öffentlichen Einrichtungen und auch der Polygamie. Trotzdem sind im republikanischen Utah nicht viele andere Kirchen (Baptisten, Katholiken, Protestanten) sichtbar wie beispielsweise an der Ostküste. Aber als Tourist bekommt man vom Mormonentum außer der speziellen Ortsnamen (Ephaim, Jericho, Orem, Salem, Nephi, …) nichts mit – von außen betrachtet wirkt hier alles brav und beschaulich.

In der 1.000-Seelen Gemeinde Fountain Green erwartete uns mitten in den Bergen auf 1.700 Metern Höhe ein schnuckliges Landhaus aus den 1920er Jahren, natürlich modernisiert und gut ausgestattet. Hier blieben wir für vier Nächte, konnten so langsam richtig ankommen und bereisten die weitere Umgebung wie Salt Lake City oder den Mount Nebo, einem wunderschönen Bergmassiv in knapp 3.000 Metern Höhe mit Schneedecke. Fountain Green selbst hat außer seiner schlichten Schönheit von teils einfachen Grundstücken, ein paar Farmen, einem Gemischtwarenladen und einer Tankstelle wenig zu bieten. Muss es aber auch nicht. Wer hierher kommt, sucht ohnehin die Ruhe und findet sie.

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Immer weg: US Wohnwagen-Kultur

Die Ruhe fanden wir über das verlängerte Memorial-Day-Weekend, das man in den USA als „holidays“ bezeichnet. Mit durchschnittlich 2 Wochen Urlaub pro Jahr, ist hier jeder freie Tag „holidays“. Am Freitagmittag fuhren wir zum Ausflug nach Salt Lake City, der beschaulichen Metropole, die zwischen dem gleichnamigen Salzsee und einer Bergkette liegt. Dummerweise kamen wir auf dem Rückweg nach Fountain Green in den Berufsverkehr und damit in den Wochenend-Urlaubsstau. Ich dachte immer, Holland wäre weltweit das Wohnwagenland Nummer 1, bis ich in diesem Stau
und an diesem Wochenende eines Besseren belehrt wurde. Angeblich sind es jährlich 40 Mio. US-Amerikaner, die campen gehen. Das wären zweieinhalb mal so viele Menschen wie die Niederlande Einwohner hat, wenn diese Zahl stimmt.

In sämtlichen Größen von XL bis XXXL und Anhänger mit dickem SUV fuhren tausende von Riesenschachteln an uns vorbei, um in der Natur die Stühle vor die Tür zu stellen und den mobilen Mega-Grill anzuwerfen. An sämtlichen Flussufern und Campingplätzen formierten sich, wie es in alten Western die Planwägen taten, Wohnwagen-Kreise; wahrscheinlich um angreifende Indianer abwehren zu können. Aber Outdoor können wir auch, sagten wir uns und freuten uns auf die nächste Station unserer Rundreise.

Bequem war gestern: Moab-Wüste im Zelt

Regeneriert und entspannt ging es vier Tage später in die Moab-Wüste. Dort hatten wir uns für eine Nacht ein Tipi-Zelt gemietet. Outdoor-Abenteuer unter dem Sternenhimmel.

Die Moab-Wüste ist beeindruckend. Ewig weite rotbraune Dornenbüschel-Steppenlandschaft, die hier und dort mit den mächtigen, für Utah typischen Felsmassiven abgeflankt ist.

Das Tipi-Dorf wird von jungen Leuten geführt, die man eher als Backpacker in Laos vermutet als auf einem amerikanischen Zeltplatz. Die Einweisung in das Tipi, das übrigens aus Zeltplane mit Antimoskito-Innenzeltnetz besteht, ging schnell.

Hier Reissverschluss, dort zwei Feldbetten mit Schlafsäcken, ein Tisch, zwei Klappstühle und da drüben neben dem Zelt mit den Handtüchern der Trailer, in dem einzelne Dusch/WC-Kabinen untergebracht sind.

Kein Frühstück und auch keine Kochmöglichkeit. Schön dachten wir. Hier lässt es sich für höchstens eine Nacht aushalten. Als ich die Feldbetten sah, wusste ich, dass ich den ganzen Tag wandern werde und es am Abend viel Bier gibt.

Die Wanderung war die schönste in unserem ganzen Urlaub. Der Arches Nationalpark hatte anders als der Zion Park viel an mächtiger Felsen-Traumlandschaft zu bieten. Er ist riesig groß und nicht überlaufen. Früher hätte man einen Rucksack voll mit kleinen Filmdosen mitschleppen müssen, heute reicht eine 16 GB SD Card im Fotoapparat, um einen Teil dieser wunderbaren riesigen Felsenstädte einzufangen. Völlig berauscht und nach gefühlten 20 Kilometern Bergwandern fuhren wir in das nächste Dennis Diner in Moab-Stadt, um dort einen großen gemischten Salat ohne Geschmack und ein Fleisch-Irgendetwas mit Pommes zu essen.

Danach fanden wir sogar eine Tankstelle mit Bier (man kommt sich irgendwann vor, als wären die USA ein muslimisches Land – selten bekommt man Alkohol im Diner, kaum Einkaufsmöglichkeiten für Bier und in der Öffentlichkeit muss man es verdecken). Meine Vermutung: Man sieht in Berlin-Neukölln tagsüber mehr Leute mit einer Bierflasche herumlaufen als es in ganz Nordamerika der Fall ist. Ist ja nichts Verwerfliches, aber muss man sich für das Feierabendbier zu Hause verstecken?

Demonstrativ tranken wir vor dem Schlafengehen unser Bier vor dem Zelt (sollen sie uns doch dafür einsperren) und genossen den Wüsten-Abend unter dem großen klaren Sternendach.

Haben die Indianer in ihren Tipis eigentlich auch auf Feldbetten geschlafen? Die Abneigung, auf einer solchen Konstruktion zu nächtigen, ist die Dekadenz des Westens gegenüber der Armut, wie sie weltweit in Feldbettlagern des Roten Kreuzes zu finden ist, dachte ich mir. Das half aber leider nicht beim Schlafen. Somit rächte sich das Feldbett die ganze Nacht lang an der Dekadenz.

Völlig gerädert kroch ich am nächsten Morgen um 6.30 Uhr aus dem Tipi, um einer der ersten unter der Dusche zu sein. Meine Liebste war erst vor ein paar Stunden eingeschlafen, da sie ein offenes Ohr für alle Schnarcher im Umkreis von einer Meile hat. Ich trottete zum Handtuch-Zelt, wo es kein Handtuch mehr gab. Dann zum Auto, um zwei Stück aus dem Koffer zu kramen. Eingeschäumt unter der Dusche stellte ich fest, dass das warme Wasser eben aufgebraucht war.

Und zum Zähneputzen musste ich meinen Kopf in die Kabinenecke auf halber Höhe über das Kuchentellergroße Waschbecken klemmen. Outdoor pur mit Minimalfaktor. Meiner Frau erzählte ich von alledem nichts. Die meisten Frauen reagieren etwas sensibel, wenn es um die morgendliche Toilette geht. „Ja, das Wasser ist warm, nur am Anfang ist es etwas kalt“, redete ich ihr und mir ein. Nachdem wir das Camp fluchtartig verlassen hatten, ging es erstmal zur Tankstelle, um dort zwei Kaffee und ein geschmacksneutrales Burrito-Irgendetwas zu kaufen.

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Colorado: Die Schweiz der USA

Unser Weg führte entlang des breiten Colorado Rivers zwischen den Bergen in Richtung Great Junction und von dort nach Montrose, ebenfalls Colorado. Dabei fiel auf, dass der Fluss auch längere Passagen bergauf floss. (Die Physiker und Geologen unter den Lesern bitte wegsehen) Da wir uns ohnehin die ganze Zeit in mindestens 1.500 Metern Höhe bewegten, hakte ich das unter der schwächeren Erdanziehung ab.

In Montrose hatten wir für vier Tage ein wunderschönes Haus mit Garten gemietet, um die letzten Tage von hier aus ein paar Ausflüge zu unternehmen und um uns auszuruhen. Über diesen Ort gibt es wenig zu berichten, außer, dass er in den 1880ern im Zuge des Eisenbahnbaus entstanden ist, einen sehr entspannten Kleinstadt-Eindruck hinterlässt und man von hier aus in den Black Canyon National Park gelangt. Das ist eine Gebirgskette mit einem kleinen Fluss, der von hohen, spitzen Schieferwänden eingerahmt wird. Es gibt hier ein paar Wanderwege und Aussichtspunkte. Der Park (Eintritt pro Auto: 15 Dollar) ist sehr wenig besucht und die Ranger bieten zweimal täglich Führungen an. Es lohnt sich auf alle Fälle, da man hier fast alleine unterwegs ist.

Nachdem wir uns in Montrose gut erholt hatten, ging die Resie weiter zu unserem letzten Ziel. Fast jeder Ski-Begeisterte hat einmal von Aspen gehört, das Davos der USA. Wir steuerten Avon an, das ungefähr in der selben Gegend liegt. Ein kleiner beschaulicher Ort, der voll und ganz auf Wintersport eingestellt ist. So besaß unsere Hotel-Suite zwei Kamine (natürlich unecht) und einen Whirlpool neben dem Bett. Auf dem kleinen Balkon fand sich des Amerikaners liebstes Küchenutensil: Ein Gasgrill. In Avon verbrachten wir unsere letzte Nacht, bevor wir in das wahrscheinlich höchstgelegenste Outlet der Welt fuhren: das Silverthorne Outlet auf 2.700 Metern.

Shoppen ist hier wie Bergwandern: Die einzelnen Geschäfte liegen verstreut auf einem idyllischen Areal mit Bergbach und viel grün dazwischen. Heidi und Ziegenpeter können sich hier bei Hilfiger und Levis einkleiden. Statt eines Jagertees und einer Wurstsemmel gibt es dann ein Frozen Joghurt mit einem Burger.

 

Zum Schluss noch eine Flatrate mit Freunden

Unser Rückweg führte schließendlich zum Flughafen Denver, wieder zu Alamo, wo aber der unfreundliche Angestellte glücklicherweise nicht mit einer durchgeladenen Pumpgun auf uns wartete. Will heißen: Wahrscheinlich hat man ihn wegen meiner E-Mail dann doch nicht gekündigt. Stattdessen trafen wir am Flughafen unsere Freunde wieder, die sich extra für unsere Verabschiedung in ein nahegelegenes Hotel für eine Nacht einmieteten. Wir fuhren dorthin und lernten eine Nachmittags-Hapyy Hour kennen, wie sie in manchen US Hotels üblich zu sein scheint: Sämtliche Cocktails für Hotelgäste (und deren Gäste) auf Kosten des Hauses. Dazu eine Erdnuss-Flatrate. Das kam uns sehr entgegen, da wir im Flugzeug ohnehin gut durchschlafen wollten und das Auto bereits abgegeben hatten. Wir schafften es immerhin durch die Sicherheitskontrolle in das Flugzeug und schliefen fest wie die Braunbären.

Ich hoffe, unsere amerikanischen Freunde haben davon keinen verkehrten Eindruck von uns bekommen – es ging uns wirklich nur um unseren Schlaf im Flugzeug! 🙂

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