Alabama: Der Staat, in dem der Bundes Ku Klux Klan zerschlagen wurde

Auch Alabama ist ein weites Land mit viel Grün und auf einer Fläche doppelt so groß wie Bayern mit nur einem Drittel an Einwohnern (3,8 Mio.). Dafür hat es nicht so hohe Berge, aber es liegt direkt am Meer. Dorthin fuhren wir, um von hier aus strategisch zu den wichtigsten Orten in den (südlichen) Südstaaten zu gelangen.

„Mobile“ klingt nach Handy, dabei gehört Alabamas 200.000 Seelen Küsten-Kleinstadt seit ihrer Gründung im Jahre 1702 zu den ältesten, französisch-stämmigen Städten der USA. Entsprechend europäisch ist die Architektur: Alleen mit alten Kolonialstil-Villen und enge Straßen. Alles wirkt sehr schmuck und aufgeräumt. Der Name hat nichts mit Mobilfunk zu tun, sondern heißt aus dem Indianischen übersetzt: „Paddel“. Aber Paddler haben wir hier nicht gesehen.

Alabama ist für viele synonym mit Südstaaten-Rassismus und weißer Redneck-Mentalität. Dabei wurde hier mit Henty Hays das erste Ku Klux Klan-Mitglied im Jahre 1997 wegen des rassistisch motivierten Mordes (im Jahre 1981) an Michael Donald auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet und der Klan zu einer Schadensersatzzahlung von 7 Mio. Dollar an die Mutter des schwarzen Opfers verurteilt. Das hat ihn finanziell so sehr geschadet, dass er zumindest auf Bundesebene (United Klans of America) aufgelöst wurde.

Dokumentiert wird das in den eindrucksvollen Civil Rights Museen in Alabamas Hauptstadt Montgomery, die Städte, in denen die Bürgerrechtsbewegung in den 60er Jahre blutig kämpfte und wo Martin Luther King immer wieder aktiv war, bis er 1968 in Memphis, Tennessee ermordet wurde. Diese Museen sind weniger wissenschaftlich ausgerichtet als Orte für Schulklassen, um den Schülern ein Look and Feel mitzugeben und an die Zeit der US-Apartheid zu erinnern. Aber einen Besuch sind sie allemal wert.

Heute geht die Kriminalität von rivalisierenden Gangs aus, die auch in Mobile zu finden sind. Das erzählte uns der Sheriff, der abends demonstrativ stets vor dem Supermarkt parkt und den Parkplatz im Auge behält. Unser Ferien-Apartment wurde zudem als „Safe Neighborhood“ und sogar mit Videoüberwachung beworben. Wo waren wir hier gelandet? Gute Werbung, um europäische Touristen anzulocken, dachte ich mir. „Wir haben Selbstschussanlagen, Stacheldrahtzäune und Rund-um-die-Uhr-Bewachung – erleben Sie einen entspannten Urlaub.“

Zurück zu den anderen Attraktionen der Handy-Stadt. Animiert von so viel Sicherheitskomfort konnten es uns nicht nehmen lassen, das Kriegsmuseum zu besichtigen, das mit der MSS Alabama (das Schiff wurde erst in der Nordsee gegen die Deutschen, dann im Kampf gegen die japanische Flotte eingesetzt) einen begehbaren Zerstörer aus dem Zweiten Weltkrieg und jede Menge Flugzeuge ausstellt. Im Hangar befindet sich ein Flugsimulator.

Als ehemaliger Oktoberfest-Besucher konnte ich es mir nicht nehmen lassen, den Bomber zu steuern. So stieg ich mit zwei Kindern und dem Opa in das Wackel-Gerät, um vom Flugzeugträger losfliegend ein feindliches Kriegsschiff zu versenken und an Land Stellungen anzugreifen sowie feindliche Düsenjets zu verfolgen.

Während wir in der dunklen Box wie in einer Bonbondose geschüttelt wurden, guckten wir auf den großen Bildschirm, auf dem das ganze Kampfgeschehen aus unserer Perspektive gesehen stattfand.

Während diese Veranstaltung für die X-Box erprobte Jugend eher unter langweilig lief, kullerte ich nach erfolgreicher Landung bei hohem Wellengang und Gewitter aus der Box wie ein verlorenes, grünes Bonbon, das nicht so recht wusste, ob es sich gleich übergeben sollte oder erst in den Toiletten.

Anstatt mich zu übergeben, fuhren wir weiter zu den berühmten weißen Sandstränden, die ca. 90 Autominuten südöstlich von Mobile liegen: in Richtung Orange Beach. Leider regnete es wieder und das Flair war eher Ostsee als Karibik, wobei Ersteres viel schöner ist als die gesamte Golfküste. Wenn man von den hässlichen Betonklötzen und Parkplätzen absieht, die die Strandpromenade bilden, also den ganzen Beton wegsprengt und dafür schöne Strohhütten und nette Bungalows mit schönen Gärten hinstellt, könnte Orange Beach aufgrund seiner tollen Puderzuckerstrände locker mit Jamaica, Aruba und anderen Panorama-Stränden mithalten. Aber leider stehen die meisten Amis – zumindest was Strände betrifft – nicht auf Ambiente sondern lieblose Funktionalität, Klimaanlagen und architektonische Hässlichkeit.

Der Regen hatte das Grau der Strandpromenade unterstrichen, so dass wir diesen Ort fluchtartig in Richtung Mobile verließen und uns die Tage danach in Richtung Mississippi und Louisiana orientierten. Diese Bundesstaaten sind von Mobile aus sehr gut zu erreichen.

Südwesten-USA

THE MOVEMENT

Beginning with individual acts of courage, a mass movement, hundreds of thousands strong, arose to confront the entrenched forces of segregation.

Every step of the way was a new challenge, a new form of protest, asking America to live up to its credo, „with liberty and justice for all.“

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Louisiana: Plantagen-Hopping

Es gibt in den USA nicht besonders viele historische Orte, an denen der Sklaverei gedacht wird und wo man sich über dieses finstere Kapitel US-amerikanischer Geschichte informieren kann.

Nicht alles ist nur schwarz-weiß – an der Sklaverei haben alle mitverdient: Plantagenbesitzer in den USA, Sklavenhändler aus Europa, afrikanische und arabische Sklavenjäger und auch die Stammesoberhäupter und Herrscher, die ihre eigenen Leute zur Versklavung freigegeben haben. Und um dem Missverständnis vorzubeugen, ging es im amerikanischen Bürgerkrieg keineswegs um die Gleichheit von Schwarzen und Weißen. Die Abschaffung der Sklaverei war sicherlich einer der Erfolge, aber damit waren die Menschen noch lange nicht gleichgestellt. Das hatte Abraham Lincoln auch nie beabsichtigt. Er sagte 1882 „Mein oberstes Ziel in diesem Krieg ist es,“ sagte er im August 1862, „die Union zu retten; es ist nicht, die Sklaverei zu retten oder zu zerstören“. Die Sklavenbefreiung verfolgte er mehr aus taktischen Gründen, um somit den Südstaatlern einen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen, in dem die Arbeitskräfte aufgewiegelt und dann „entlassen“ (befreit) werden.

Ok, die Sklaverei wurde abgeschafft, aber sie bestand in „unsichtbarer“ Form dann in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen weiter. Schließendlich gab es die US Apartheid bis in die 1960er Jahre (ich vermeide das nazistische Wort „Rassentrennung“, da es keine menschlichen „Rassen“ gibt. Der englische Begriff „race“ ist anders zu übersetzen und meint eine soziale Sichtweise). Schwarze wurden aus Schulen, Universitäten, bestimmten Berufen, dem Nahverkehr und aus sämtlichen Institutionen ausgeschlossen, um nur wenige Beispiele zu nennen. Sie waren für die meisten Weißen genauso wie Indianer und Latinos Menschen zweiter Klasse. Erst Mitte der 1960er Jahre begann ihr großer (Selbst-)Befreiungsprozess.

Wir waren so frei und besuchten zwei historische Plantagen, die heute als Begegnungs- und Dokumentationszentren über die Geschichte der Sklaverei dienen: die Whitney (deutsche Besitzer) und die Oak Alley Plantage. In beiden Plantagen, die etwa 90 Autominuten westlich von New Orleans liegen, arbeiteten mehrere hundert Sklaven. Heute kann man auf den prachtvollen Grundstücken nahe der Kolonialstil-Herrenhäuser deren einfachen Barracken sehen und wird von geschulten Führern in Gruppen durch diese gut erhaltenen Gedenkstätten geführt – sehr nahe und sehr eindrucksvolle, lebendige Geschichte inmitten der weiten, heißen Sumpfgebiete Louisianas.

Aber Louisiana hat mit New Orleans weitaus mehr zu bieten als Sklavengeschichte und Sümpfe.

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New Orleans: Mit Libby über die Fressmeile

„Wenn du die Geschichte von New Orleans verstehen willst, dann musst du in die Kochtöpfe dieser Stadt gucken“, sagt Libby, die im French Quarter Food-Tours durchführt. Da wir in den USA stets auf der Suche nach etwas Essbaren sind, das kein Hamburger, nicht aus Plastik ist, nicht so viel kostet wie im deutschen Sterne-Restaurant und gleichzeitig auch schmeckt, buchten wir in New Orleans für 55 Dollar pro Person eine Food-Tour bei Elizabeth, kurz Libby.

Die etwa 40-Jährige, zierliche Louisianerin stammt aus einer spanischen Einwandererfamilie, die bereits in 10. Generation im French Quartier lebt. Sie hat jede Menge Kochtöpfe gesehen und entsprechend viel wusste Libby über New Orleans zu erzählen; einschließlich allen europäischen, karibischen, afrikanischen Einflüssen, den Piraten, der besonderen Architektur – alles ist auf Schlamm gebaut und stürzt trotzdem nicht ein – sowie den Hurrikan Katrina, der das French Quartier nicht zerstören konnte, da es schlauerweise auf dem höchsten Punkt (5-6 Meter) der Region gebaut wurde. Die Food- Tour entpuppte sich als umfassender Geschichtsunterricht über New Orleans mit kulinarischer Begleitung. „Wenn euch was bei der Tour komisch vorkommt, dann lasst es einfach so stehen, wie es ist“, warnte sie uns vor.

Wir starteten diese Tour zu fünft mit einem jungen Paar aus San Francisco direkt im ehemaligen deutschen Schlachthaus nahe des Hafens, wo die „German Butchers“ nach getaner Arbeit im gegenüberliegenden …. ihr Pooboy zu sich nahmen. Ein Pooboy (Louisianisch: Poor & boy) ist ein schmackhaftes Sandwich mit voller Fleischfüllung. Dann ging es weiter in Cajun und Creolische Traditions-Restaurants mit Jambala, und Breadpudding – der leckeren Nachspeise für Arme – aus altem Brot. Am Ende gab es Pralinees und ein sizilianisches Sandwich, das untypischerweise für die USA ohne Mayonnaise auskam und dicke Schichten Prosciutto, Käse und Olivensalat enthielt. Ein uraltes Rezept für die vielen Sizilianer, die nach der Sklavenbefreiung auf den Plantagen arbeiteten, nachdem die Schwarzen dort aus gutem Grunde weg waren. Wie ihre Jünger trabten wir hinter Libby, die ein Holzschild ihrer Company in den Händen hochhielt und bewegten uns weiter durch die New Orleans‘ Geschichte entlang der alten Gassen.

Das French Quartier lebt überwiegend vom Tourismus und man sieht nur Häuser aus den vergangenen Jahrhunderten, teilweise modernisiert und verziert, teilweise heruntergekommen. Dieser Stadtteil ist für eine US-Metropole untypisch europäisch und man hat den Eindruck, die Zeit ist hier seit einhundert Jahren stehengeblieben: Zwischendrin eine Vielzahl kleiner Läden, Restaurants, Bars, Cafes und sogar Straßenmusiker.

Am Tage stellt sich dieses Viertel als bunte Flaniergegend mit vielen touristischen Attraktionen dar, nachts sollte man schon gut aufpassen, wem man wo über den Weg läuft (siehe Kriminalitätszahlen). Wir liefen kreuz und quer im Schlepptau unserer einheimischen Führerin an den Häusern von William Faulkner, Truman Capote und Ernest Hemingway vorbei durch die Restaurants und es schmeckte uns ausgezeichnet.

Nachdem wir uns verabschiedeten, schleppten wir uns bei 30 Grad im feucht-tropischen Schatten kugelrund und satt zurück zu unserem fahrenden Kochtopf. Die Geschichte von New Orleans hatten wir (im wahrsten Sinne des Wortes) geschluckt und gefressen.

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Tennessee: Die 12-Dollar-Tomaten von Chattanooga

Auf dem Weg von Mobile nach Kentucky brauchten wir für den Kühlschrank unserer nächsten Unterkunft noch etwas Essbares, das nicht gentechnisch verändert und frisch war. Wir kreuzten Tennessee, das wir bereits auf unserer Blue Ridge Parkway Tour kennenlernten. Anstatt nach Memphis oder Nashville ging es zum wöchentlichen Biomarkt nach Chattanooga, der viertgrößten Stadt des Countrymusic-Bundesstaates.

Der Markt war in einer offenen Halle untergebracht; umgeben von einem großen Parkplatz. Neben einer Reihe von Imbissen, Kuchen-, Kunst- sowie Haushaltswarenständen zählten wir eine Handvoll Obst- und Gemüsestände. Für insgesamt 12 Dollar kauften wir dort 7 Tomaten. Nicht, dass es sich hierbei um Monstergemüse oder um Bioland-Importe aus Deutschland handelte: Es war von örtlichen Farmern und in normaler Größe. Bei den Preisen bleibt einem die Tomate im Hals stecken, dachten wir uns und zelebrierten jeden Salat, den wir in den darauffolgenden Tagen mit unseren wertvollen Zutaten zubereiteten. Wer im Mittleren Westen mehr teure Bioprodukte kaufen will, findet sie im Whole Foods Market, dem weltweit größtem Biofood-Verkäufer. Auch hier kann man schnell für wenige Lebensmittel viel Geld loswerden und die Kundschaft scheint – wie in deutschen Biomärkten – eher gutverdienend zu sein.

Die Alternative sind normale Supermarktketten, in denen das Essen weniger kostet und die Qualität auf der Strecke bleibt. Viele schwergewichtige Amerikaner kaufen dort bergeweise Chips, Süßkram, sämtliche Weißmehlprodukte und Cola, als wären es Grundnahrungsmittel. Ich behaupte, dass man n den USA auch mit niedrigem Einkommen halbwegs „gut“ essen kann, wenn man das will. Natürliche, wenn auch nicht ökologisch angebaute, Nahrungsmittel wie Reis, Kartoffeln, Obst, Gemüse, Milch, Mineralwasser sind auch für arme Leute bezahlbar. Sie schmecken eben nicht so „lecker“ wie Käse-Popcorn, XXL-Tiefkühlpizza, Crunchy Chips, Butterfinger, Eis und Cola. Essen ist mehr eine Sache der Bildung und dann der Selbstdisziplin – genauso wie bei uns.

Ein anderer Teil der US-Bürger, die viel Sport treiben, weiß das, aber packt in den Einkaufswagen „Superfood“. Da muss dann Chia-Samen draufstehen und die Rede von no carb, fat free oder no sugar sein. Ich vermute, dass der Fitnesswahn in den USA auch mit dem horrend teuren Gesundheitswesen zusammenhängt, das trotz acht Jahre Obama-Regierung nicht grundsätzlich geändert hat. Viele Menschen setzen auf Prävention, um nicht teure Arztrechnungen abbezahlen zu müssen. Das hat uns beispielsweise eine Krankenschwester bestätigt, die wir nach unserem Tennessee-Ausflug beim Wandern in Kentucky kennengelernt haben. Kentucky ist im Übrigen größer als Österreich und hat nur halb so viele Einwohner. Die haben es aber in sich.

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Kentucky: Im Washsaloon mit Calamity Jane

„Guck mal, eine Pistole“, sagte meine Frau, als wir in Richmond im Waschsalon auf unsere Waschmaschine warteten. „Da drüben die Frau“. Grimmig wie Calamity Jane  bewegte sich eine etwa 40-Jährige zwischen ihrer großen Wäschetasche und der offenen Waschtrommel. Um ihre Hüfte hatte sie ein Holster mit einer großen Pistole mitsamt Ersatzmagazin geschnallt. „Kentucky ist ein Open Carry State“, flüsterte mir die etwa 60-jährige Angestellte des Waschsalons zu.“

Hier ist es laut Gesetz ausdrücklich erlaubt, seine Waffe offen zu tragen. Aber das tun die wenigsten. Sie ist eine Ausnahme“. Calamity Jane sah nicht besonders humorvoll aus. Um die Zeit des Wäschetrocknens zu überbrücken, entschieden wir uns für eine Unterhaltung mit einem etwa 25-jährigen Ex-Marine, der zurück aus Kalifornien, wieder in seiner Heimat Fuß fassen wollte – als Fabrikarbeiter mit einem Stundenlohn von 8,50 Dollar.“

Richmond hat sich in den letzten Jahren sehr verschlechtert. Viele Leute hier nehmen Crystal Meth und die Kriminalität hat stark zugenommen“, wusste er uns zu berichten. „Nachts gibt es Schießereien und man muss hier nicht herumlaufen; außer man sucht Ärger. Ich selbst habe meine Waffe zu Hause und schieße nur auf dem platten Land etwas herum, um in Übung zu bleiben. Hier in Kentucky sagt niemand was dagegen.“

Der Einschätzung des Ex-Marines pflichtete die Washstore-Frau bei, die übrigens nur acht Dollar Stundenlohn erhält. „Ich bin froh, wenn ich hier um halb zehn abschließe und heil nach Hause komme. Letztes Wochenende haben ein paar Typen hier die Scheiben von Waschtrommeln kaputt gemacht.“

Das machte uns mehr Lust, das Nachtleben von Kentucky zu ergründen und wir blieben Nachts mit gut verschlossenen Türen besser in unserem schmucken Cottage, während Calamity Jane ihre Wäsche rund um die Uhr waschen kann. Ich kann diese Frau nun gut verstehen, weil ich mich in so einer Gegend ganz legal sicherlich auch bewaffnen würde; jedoch nicht als Open Carrier. Aber bewaffnete Touristen kommen nicht so gut an.

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Wandern bei den Hillbillies

Für unseren 6-tägigen Kentucky-Aufenthalt buchten wir ein schönes Cottage in der pittoresken Universitätsstadt Berea, das am Rande der Apalachian Mountains liegt und ein sehr guter Ausgangspunkt für Wanderungen ist.

Wir fuhren zu einem Wanderweg und stiegen gerade auf dem Parkplatz aus, als uns ein Mittfünfziger zurief, ob wir Touristen seien, die wandern wollen. Ich bejahte und erklärte dem freudigen Mann großspurig, dass wir wanderwütige Deutsche seien, die unterwegs keinen Berg auslassen und uns ein Leben ohne Wandern nicht vorstellen könnten. „Dann darf ich mich vorstellen“, sagte er, „mein Name ist Professor Hackbert. Meine Studenten befragen Touristen über die Vorzüge des Wanderns in Kentucky.“

Wir kamen in’s Gespräch und am Ende stand seine Einladung: „Ich würde mich freuen, wenn Sie uns nach Ihrer Wanderung im Seminar besuchen kommen und uns über Ihre Erfahrungen berichten und was für Sie beim Wandern maßgeblich ist.“ Gerne würden wir kommen, entgegnete ich und begann mir Gedanken darüber zu machen, was man den Studenten als „Vorzeige-Wanderer aus good old Europe“ Neues zu erzählen habe könnte.

In den vier Stunden unserer Wanderung dachte ich mir einen kleinen Vortrag aus, den ich an der Tafel zum besten geben würde, um nach meiner Großspurigkeit nicht ganz als Idiot dazustehen.

Wir kamen an und das Seminar mit den etwa 30 anwesenden Studierenden aus aller Welt wartete bereits auf uns. Ich schnappte mir die Tafel und begann einen Vortrag über das OHIO-Konzept, das ich mir bei unserer Wanderung ausgedacht hatte und als Oberbegriffe Organisation (O), Health – Gesundheit (H), Information (I) und Orientierung (O) beinhaltet. Natürlich habe ich das im Detail ausgeführt und diskutiert. Aufgrund meiner beruflichen Erfahrungen kann ich gut Seminare leiten und letztendlich meinen Kopf aus der Schlinge ziehen.

Wie es sich herausstellte, arbeitet der Professor mit seinem Seminar daran mit, die nachhaltige regionale Entwicklung in der Region zu fördern, in der viele arbeitslose Hillbillies leben und die bislang nur wenig vom Tourismus profitiert. So gehen Arbeitsgruppen los und erklären den Dorfbewohnern, wie Internetmarketing funktioniert und sie damit Touristen locken können oder erzählen ihnen, auf was sie achten müssen, um die Gegend attraktiv für Wanderer zu machen.

Ich arbeite mein „Konzept“ nun schriftlich aus, um es Prof. Dr. Hackbert und den Studenten später zuzusenden. Vielleicht hilft das dem einen oder anderem Hillbilly.

Die Universität von Berea  ist schon immer progressiv gewesen, da sie bereits im 19. Jahrhundert auch Schwarzen und Indigenen Zutritt gewährt hat und heute Stipendien für Minderbemittelte aus der ganzen Welt vergibt. So lernten wir Studenten aus der Ukraine, dem Kongo und Kirkisien kennen, die bei einheimischen Familien leben und ihr erworbenes Knowhow nach dem Studium zurück in ihre Heimatländer tragen.

Aufgefallen sind uns in Berea auch kleine Schilder, die in manchen Vorgärten stehen mit der Aufschrift „No matter where are you from, we’re glad you’re our neighbor“ (ganz gleich, woher du kommst, wir sind glücklich, dass du unser Nachbar bist) auf Englisch, Französisch und sogar Arabisch.

In dieser amerikanischen Vorzeigestadt gibt es auch ein künstlerisch ausgestaltetes Kulturzentrum, in dem die Touristeninformation zu finden ist. Besonders stolz ist man in Kentucky auf die edlen Zuchtpferde und die Dressur-Reiterei mit ihren internationalen Turnieren und vielen Auszeichnungen. Da wir schon immer mal ein Rodeo in den USA besuchen wollten, rutschte es aus meiner Frau bei der älteren Tourist-Info Dame heraus, wo und wann denn eine solche Veranstaltung zu finden sei. „Wir sind hier in Kentucky, dem Zentrum der amerikanischen Dressur-Reiterei!“ antwortete sie bestürzt.

Leider fanden wir kein Rodeo in Kentucky und suchten stattdessen bei unserer letzten Station in Chicago mit dem wilden Fahrrad nach Abenteuern.

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Chicago: Mit Carson und Shelley auf Schweini-Suche

Nachdem ich in der Regenbogenpresse erfahren habe, dass sich Bastian Schweinsteiger und seine frisch vermählte Ana pudelwohl in Chicago fühlen und dort unerkannt mit ihren Mountain Bikes unterwegs sind, entschieden wir uns am letzten Wochenende unserer Tour, es ihnen gleichzutun – nur mit geringerem Budget.

Wir buchten bei Bobby’s Bikes  eine 3-stündige Neighbourhood-Tour durch die Nobelviertel von Chicago Beacharea. Bei 32 Grad im Mittagsschatten ging es mit unseren Bikes „Shelley“ und „Carson“ sowie einer kurzen Einführung, was überhaupt ein Fahrrad ist und wie es funktioniert, los. Außer uns noch die Tour Führerin Michelle und als weiterer Biker Renato aus Brasilien. „Please do not talk about soccer“, bat er uns „I’m from Bela Horizonte.“ Der arme Kerl trug wie Millionen anderer Brasilianer die 7:1 Niederlage gegen Deutschland bei der letzten WM wie ein Trauma mit sich herum. Er war sogar persönlich im Stadion als  Schweini, Poldi und Co dem brasilianische Fußballwunder den Hintern versohlt haben.

„Ein Grund mehr, nach der Familie Schweinsteiger Ausschau zu halten“, dachte ich mir. Ich fragte Michelle, wo denn die Schweinsteigers residieren. „Wer ist Schweinsteiger?“ antwortete sie mir, unwissend wie die Mehrheit aller US-Amerikaner. „Ja, ich kenne Euren Präsidenten auch nicht, wie heißt er nochmal, Donald Duck?“, hätte ich beinahe geantwortet, verkniff es mir aber.

Der besagte Donald besitzt mitten in Chicagos Downtown einen Wolkenkratzer, der als einziges in großen Lettern seinen Namen ziert, damit jeder weiß, wem er gehört. „Trump hat hier niemand gewählt“, versicherte mir Michelle. „Chicago ist blue“. Diesen Satz habe ich sehr oft auf unserer Tour gehört. „Klar, die Russen haben eure Wahlomaten gehackt. Das war ihr erster Versuch und bei der nächsten Wahl ist Putin auch euer Präsident“, dachte ich mir.

Aber egal, man darf es den Amerikanern nicht verübeln, wenn sie von ihrer Lobby-gesteuerten und verlogenen Regierung genug haben und es diesmal mit jemanden versuchen, der wenigstens „ehrlich schräg“ ist. Wenn die Demokraten nicht wieder Hillary bei der nächsten Wahl auffahren, könnte Trump ihnen durch seine Twitter Kommentare und seine Unternehmer-Politik einen Bärendienst erweisen.

Das behielt ich für mich und wir radelten weiter durch das teuerste Viertel von Chicago, vorbei an Ophra Winfrey’s Loft und Hugh Hefners Haus, das er für einen Dollar der Kunstakademie überließ. Auf meine Frage, was denn Normalsterbliche hier an Miete bezahlen, antwortete Michelle „für ein 1-Zimmer Apartment im Durchschnitt 1200-1500 Dollar pro Monat“. Die etwa 20-Jährige arbeitet deshalb in drei Jobs, um sich die Miete zu leisten und ist aus Kostengründen noch nicht einmal krankenversichert. Der Mindestlohn liegt in Chicago bei knapp 10 Dollar die Stunde. Daran hat Obama in seiner Heimatstadt nichts geändert und Trump wird es ohnehin nicht tun.

Vielleicht sollten sie mal wieder nach über einhundert Jahren wieder streiken, wie es einst deutsche Einwanderer im Jahre 1891 am Haymarket in Chicago getan haben. Darauf geht nämlich der 1. Mai als internationaler Arbeiterkampftag zurück. Aber anstatt zu streiken, essen die Leute in Chicago lieber Donats und flanieren an der Seepromenade des Lake Michigan, wo unsere Bike-Tour die schönsten Aussichtsplätze auf die Stadt kreuzte. Wie eine Entenfamilie mit unserer Führerin Michelle vorneweg und Renato als Schlusslicht (nach der Brasilien-Niederlage sein selbstgewählter Platz), bewegten wir uns leichtpedalig durch die Menschenmenge, vorbei an jungen Leuten, die mit ihrer Soundbox im Rucksack HipHop-Gebelle aufdrehten und jeder Menge Ausflugs-Familien.

Abflug mit Pleite-Airline ohne Herz

So vielversprechend unsere Reise mit dem AirBerlin-Flug begonnen hatte, umso ärgerlicher erwies sich der Rückflug. Wir standen am AirBerlin-Schalter zum Einchecken und hatten pro Koffer etwa 1,5 Kilogramm Übergewicht. Bei jeder anderen Airline ist das eine selbstverständliche Kulanzangelegenheit – nicht so bei AirBerlin in Chicago. Da unser Handgepäck genug Gewicht besaß, sollten wir entweder doppeltes Gepäck bezahlen oder ein weiteres für 190 EUR kaufen – also einen Handgepäckkoffer bis zum Anschlag vollstopfen und einchecken. Mit geöffneten Koffern neben der Warteschlange packten wir vor lauter Schaulustigen um und bissen in den sauren 190,00 EUR Apfel.

In Berlin gelandet, fehlte trotz Direktflug einer unserer Koffer. Das bedeutete zusätzliche Wartezeit, Reklamation und Ärger.

Never again: Unseren nächsten USA-Flug für 2018 buchten wir daraufhin mit Lufthansa.

Tipps für Unternehmungen und tolle Unterkünfte findet ihr in unserem Reisebericht USA Mittler Westen & Südstaaten: Fakten und Highlights.

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