Sarajevo mon amour

Wenn " man zu lange in der Sonne liegt, kommt man schnell auf komische Gedanken. So geschehen in unserem Urlaub in Süd-Kroatien, wo meine Frau und ich seit 2009 jedes Jahr für 9 Tage Freunde besuchen. Wir schreiben 2014 und waren schon das sechste Mal bei ihnen.

Nach dem fünften Tag hatten wir das Gefühl, unsere Sonnenliegen plattgelegen zu haben und jeden Fisch in der Bucht namentlich zu kennen.
Mir fiel ein, dass ich ja schon immer Sarajevo sehen wollte und eine Fahrt durch Bosnien spannend ist.

So buchte ich über ein deutsches Portal für drei Tage ein Mietauto und los ging es zum Flughafen von Dubrovnik – das Mietauto abholen.

Dummerweise sieht der deutsche Personalausweis auf den schnellen Blick genauso aus wie der Führerschein. Den Mietwagen-Mann störte es nicht, dass ich meinen Führerschein im Apartment vergessen hatte. „Ist Ihr Problem, wenn man Sie in Bosnien anhält“, meinte er ganz gelassen und wir beide witzelten darüber. Das Lachen sollte mir ein paar Stunden später noch vergehen.

Südwesten-USA

Balkan-Krieg in den Köpfen

Wir wählten als Reiseroute den Weg durch das ostbosnische Serbengebiet „Republika Srpska“, das nach dem Bosnienkrieg quasi ein Staat im Staat ist und seine Verwaltung ebenfalls in Sarajevo hat – der bosnischen Hauptstadt. Man gelangt dorthin über eine bosnische Pufferzone, die zwischen den bosnischen Serben und Kroatien besteht. Der Krieg ist formell vorbei, existiert in den Köpfen der Älteren aber weiter. Die Gräben zwischen den Serben und Kroaten sind seit dem Krieg immer noch tiefer als die vielen Gräber, die der Krieg hinterlassen hat.

Man sieht heute in Kroatien kaum Serben; und wenn sich mal ein serbischer Urlauber an die kroatische Küste verirrt, dann weiß das ganze Dorf Bescheid – ohne, dass die westlichen Touristen das mitbekommen. Wenn Kroaten nach Sarajevo wollen, dann nehmen sie den Weg durch Bosnien-Herzegowina – von Dubrovnik über Mostar dorthin. Das ist auch die normale Route der touristischen Ausflugsbusse: sechs Stunden Busfahrt plus langer Grenzstau.

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Mix aus Schweiz, Winnetou und Karpaten

„Unsere“ Grenze war ein Miniposten mit wenigen wartenden Autos und gelangweilten bosnischen Grenzern, die alle Zeit der Welt hatten. Trotzdem ging es relativ schnell. Die Landstraße auf unserer „Serben“-Route war aus den genannten Gründen quasi leer und das Navi gab mit knapp 250 Kilometern durch die Berge eine vierstündige Fahrt an.

Für mich als Motorsportler hieß das „freie Bahn mit Marzipan“ (frei nach Werner – Brösel). Die Landschaft in etwa 1.000 Meter Höhe war atemberaubend. Saftige grüne Weiden, mächtige Bergmassive und überall nackte Felsformationen. Eine gute Kulisse für eine Neuverfilmung von Winnetou, Dracula oder auch Heidi.

Der Schatz am Silbersee, eine Almromanze wie auch ein Ausflug in ein Vampir-Schloss in den Karpaten würden in dieser Region gut funktionieren. Hier und dort glasklare Flüsse und Seen. Alles war sehr landwirtschaftlich geprägt und die Dörfer wirkten aufgeräumt wie in den Schweizer Alpen. Mehrmals musste ich für Kühe bremsen, die sich mitten auf der Landstraße herumtrieben. Cowboys waren weit und breit nicht zu sehen. Dafür aber Banditen.

Er ging die Linie auf und ab und machte mit seinen Armen Schlangenbewegungen. Während meine Frau im Auto saß und nach irgendetwas kramte, lachten wir drei herzlich. Dass ich zu schnell fuhr, wurde gar nicht thematisiert. Der größere Polizist kam gleich zur Sache und kreuzte lachend seine Handgelenke, was soviel wie Handschellen bedeutete. Ich lachte mit und ließ mir nichts anmerken. Dann kritzelte er auf einen Block: „150 – 300 Euro“. Ich lachte weiter und gab mich doof. Daraufhin fiel dem anderen ein, dass da ein Führerschein fehlte. Er wusste nur nicht, wie er es vorspielen sollte. Ich ließ ihn zappeln und gab mich unwissend. Dann fiel plötzlich das Wort Driving License.

Ich konterte mit Hotel. Die Sache mit mir wurde den beiden langsam zu anstrengend. Der Dickere setzte sich in den Streifenwagen und winkte mich zu sich heran – den Block in der Hand. Nun kritzelte er eine 50 auf den Block. Ich verstand. Ok, dachte ich mir: Überhöhte Geschwindigkeit, Überholverbot und Führerschein nicht dabei – mindestens 50 Euro würde das bei uns in Deutschland auch kosten. Also gestikulierte ich, ob damit alles quitt wäre, er bejahte und ich kaufte mich frei. Nur schnell weg hier, bevor es teurer wird, war mein erster Gedanke.

Wie ich im Nachhinein recherchiert habe, kostet für Bosnien verbotenes Überholen ab 150 Euro, zu schnell fahren bis 20 Km/h: 20 Euro und die Fahrt ohne Führerschein dabei zu haben habe ich auf die Schnelle nicht gefunden. Aber ein kreativer Ordnungshüter könnte hieraus auch noch ein paar Euro geltend machen. Die 50 Euro hatten sich also „gelohnt“. Einerseits ist das eine Win-Win-Situation – andererseits steht das Geld im Bosnien (und auch Montenegro) offensichtlich weit über Recht und Gesetz. Der Polizei kann man nicht trauen und diese Gewissheit kann in bestimmten Situationen ein komisches Gefühl verursachen.

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Miss Sarajevo und die Holländer von Srebenica

Der Name Sarajevo ist ebenso wie Srebenica für die Grausamkeiten des Bosnienkrieges Synonym geworden. Wie auf der Fahrt von Kroatien aus dorthin sieht man heute überall noch die Spuren des Krieges. Meist sind das Einschusslöcher in Häusern oder eben Hausruinen. Eingezäunte Minenfelder, wie ich sie nördlich in Kroatien an vielen Stellen gesehen habe, konnten wir nicht entdecken. Selbst, wenn es der Knaller ist: Querfeldein Wandern würde ich in Bosnien auch trotzdem nicht ohne Weiteres gehen. Dafür steht im Reiseführer, dass es noch verminte Straßen in Sarajevo gibt.

Wir wollten mehr erfahren und besuchten die Srebenica Dauerausstellung. Dort werden eindrucksvolle Fotos, Audio-Interviews und Filme über die Greueltaten von Srebenica und die Belagerung von Sarajevo durch die Serben präsentiert. Es ist schon erschreckend, wie die anderen europäischen Staaten dem tatenlos zugesehen  haben.
Ebenso  die niederländischen Blauhelmsoldaten – alles in einem Film in der „Ausstellung“ dokumentiert.

Ihre „Schutzzone“ hat zehntausende verfolgter moslimischer Zivilisten angezogen, die dann von den Serben vor den Augen der tatenlosen Holländer deportiert und ermordet wurden. Völker- bzw. Strafrechtlich kann man das als Beihilfe zum Massenmord bezeichnen. Ein niederländisches Gericht hat im Juli 2014 den Staat Holland lediglich für 300 der über 8.000 Opfer für mitschuldig an deren Ermordung gesprochen.

Im konkreten Fall ging es um die Mithilfe der Deportation und das Wissen über die „ethnischen Säuberungen“ seitens der Blauhelmsoldaten. Geschehnisse wie in Srebenica, Ruanda, Syrien und der Irak mahnen uns, nicht endlos von „Gewaltfreiheit“ zu reden und Symbolpolitik zu betreiben, sondern vor Ort zu handeln.

Die „Ausstellung“ zeigt weiterhin den Film „Miss Sarajevo“, der während der Belagerung durch die Serben gedreht wurde und die Stimmung der eingekesselten Bevölkerung auf eindrucksvolle Weise zeigt. Ganz bewegend ist auch das gleichnamige Lied von U2 und Pavarotti. Einer der Eingekesselten meinte: „Wichtig ist, dass wir hier alle zusammen halten – ganz egal ob Christ, Jude, Moslem oder was auch immer. Dafür lohnt es sich zu kämpfen.“

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Klein Jerusalem

Nicht nur deshalb nennt man Sarajevo „Klein Jerusalem“. In der Altstadt kommen sämtliche Einflüsse aus der osmanischen, venezianischen und modernen Epoche zusammen. Man sieht Synagogen, orthodoxe Kirchen und Moscheen inmitten einer halbwegs erhaltenen und lebendigen Altstadt. Überall buntes Treiben, Basare und Kaffeehäuser.

Am Freitagabend säumten mehrere zehntausend Menschen die Straßen der Innenstadt und bevölkerten die vielen Cafes und Bars. Sarajevo macht Spaß und es gibt hier jede Menge kleiner Läden, verwinkelten Gassen und unterschiedlicher Menschen zu sehen.

Wir suchten uns ein Restaurant und bestellten etwas zu Essen. Ein paniertes Hähnchenschnitzel mit Pommes und Salat. Dazu ein Bier. Preis: 2 Euro für das Essen und 50 Cent für das Bier. Wir konnten es kaum glauben, als wir die Rechnung über insgesamt 7,50 Euro (für uns beide) bezahlten.

Wie viel dann wohl das Personal verdient, dachten wir uns. Die Hotelpreise hingegen gleichen sich denen westeuropäischer Standards.Ein normaler Kaffee kostet etwa 1,50 Euro. Jeder deutsche Harz4-Empfänger könnte (wenn er eine billige Bleibe entdeckt) hier in Saus und Braus leben.

Kein Wunder, dass die Polizei in Bosnien korrupt ist, wenn hier die Verdienste scheinbar so gering gehalten werden.

Am nächsten Morgen erkundeten wir die Altstadt bei Tageslicht auf’s Neue. Überall Foto-Motive und ein besonderes Flair in dieser Stadt. Etwas wehmütig verließen wir am frühen Nachmittag Sarajevo, um über Mostar zurück in unser Apartment nach Kroatien zu fahren.

Die Route war bis kurz vor Mostar sehr schön mit vielen engen Bergschluchten und grünen Wiesen. Eigentlich wollten wir in Mostar Halt machen, um uns diese Stadt anzusehen. Die ersten Eindrücke langweilten uns und wir fuhren dann innerhalb Bosniens wieder zurück über die Republika Srpska in Richtung Kroatien.

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Dann noch die Serbische Polizei

Die Landstraße in der Republika Srpska war leer und ich gab Gas. Es blitzte aber nirgends. Dafür winkte mich eine weitaus dunklere Polizeiuniform als die bosnische mit der Kelle an den Straßenrand. Auch der serbische Ordnungshüter konnte sich nur in seiner eigenen Landessprache verständigen. Zum Glück. Ich händigte ihm offensiv die Reisepässe und Fahrzeugunterlagen aus und gab mich wieder doof. Dass hier ein Führerschein fehlte, bemerkte er nicht. Stattdessen sollte ich ihm eine kleine Licht-Show darbieten. Blinker links – Blinker rechts – Fernlicht – Standlicht – Licht aus, usw.

Endlich mal wieder eine richtige Fahrzeug-Kontrolle. Für die Balkan-Polizei mache ich das doch gerne, dachte ich mir. Natürlich nur, so lange es mich nichts kostet. Der Polizist hätte sich auch unter unseren Mietwagen legen können. Da gab es nichts zu finden. Keine Beute für den armen Wegelagerer. Etwas enttäuscht ließ er uns dann des Weges ziehen.

Am Abend bei unseren kroatischen Freunden und einen Glas Rotwein werteten wir die ganze Sache aus. Seit dem EU-Beitritt Kroatiens sei man hier bezüglich der Korruption strenger geworden und die Polizisten müssen Anzeigen fürchten. 50 Euro sei für einen bosnischen Polizisten viel zu viel, 10 Euro hätten gereicht, meinten unsere Gastgeber. So viel kostet es auch in Montenegro, wo die Polizei gerne Touristen anhält und irgendetwas behauptet, um damit ein paar Euros in die eigene Tasche zu wirtschaften. Man sollte deshalb sein Geld anderswo als in der Geldbörse aufbewahren. Aber ein Zehner darf da schon drin sein.

Montenegro – anders als bei 007

Gesagt – getan. Nach Montenegro wollte ich seit dem 007-Film „Casino Royal“. Tolle grüne Berglandschaft mit einem See und einem schönen Schloss-Casino. Ich recherchierte kurz vor unserer Abfahrt, wie wir dorthin kommen sollten und wie sich dann herausstellte, wurden die Aufnahmen des vermeintlichen Montenegro in Tschechien (in Karlsbad) gemacht. Tschechien war uns aber von Kroatien aus zu weit. Am nächsten Tag stand Montenegro auf dem Plan und wir fuhren entlang der wunderschönen Riviera-artigen Küste dieses Landes nach Budva. Das ist eine der zwei ältesten Städte an der Adriaküste, die 1979 von einem schweren Erdbeben verwüstet wurde. Man hat die Altstadt mit ihrer mittelalterlichen Festungsanlage danach anhand uralter Pläne aus venezianischen Archiven originalgetreu wieder aufgebaut. Das sieht man heute noch am hellen Mörtel und den verschiedenfarbigen Steinen der „alten“ Häuser und der Stadtmauer. Jedenfalls ist Budva sehr urig und lohnt sich allemal für einen Besuch.

Um etwas Geld zum Tanken und für die unzähligen Kaffees zu haben, die wir unterwegs trinken, machte ich mich auf zum Geldautomaten. In der Währungs-App meines Handys fand ich Montenegro nicht. Ok, dann mal trotzdem die Karte in den Automaten schieben. Ich drückte auf 20 Euro und der Automat spuckte einen 20 Euro-Schein aus. „Das ist ja wohl ein Scherz“, sagte ich zu meiner Liebsten. Wir lachten und  stellten dann im Supermarkt fest, dass die Währung des Nicht-EU-Landes Montenegro seit 2002 der Euro ist. Davor war es die deutsche DM.

An Montenegros Küste sonnen sich neben den Einheimischen vor allem russische, serbische und ungarische Touristen. Hier und dort sind auch Westeuropäer anzutreffen. Es scheint der Gegenentwurf zu Kroatien zu sein, wo man zwar auch Russen trifft, aber nicht so viele und auch keine Serben.

Zurück in Kroatien habe ich mich mit einer Montenegrinerin unterhalten, der Schwiegertochter unserer Gastgeber. Wir sprachen über den Alkoholkonsum und sie bestätigte mir (von meinem letzten Aufenthalt dort), dass es in Montenegro kein Radler oder Alsterwasser gibt. „Das ist nicht für Männer – muss schon richtiges Bier und kein Kinderbier sein“, erklärte sie mir. Also, wer nach Montenegrino reist, sollte nicht versuchen, das Bier mixen zu lassen. Das hinterlässt einen peinlichen Eindruck. Nach Sarajewo, Bosnien, Montenegro und natürlich Kroatien werden wir gerne wieder reisen.

Es lohnt sich allemal (so lange man die Polizeikontrollen umfahren kann)!

Und hier findest du Inspirationen für deine Reise nach Kroatien oder Montenegro.
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