Dumm gelaufen

Lange geplant und schlecht recherchiert: Ein grandioser Wanderurlaub im Nordwesten der USA sowie im kanadischen Banff Nationalpark sollte es werden. Meine Recherchen richtete ich mehr auf Fragen wie „Was tun, wenn wir bei einsamen Wanderungen Grizzly- bzw. Kodiakbären begegnen“ als auf wichtigere Dinge wie das Wetter vor Ort von Mitte Mai bis Mitte Juni 2018.

Sehr spät holte ich mir allgemeine Tipps aus dem deutschsprachigen USA-Forum. „Für Kanada und Montana braucht Ihr Schneeketten und viele Pässe sind bis Mitte Juni noch gesperrt,“ schrieb ein Mitglied. „Dieses Jahr haben wir einen Rekordwinter“, sagte mir ein US-Kollege aus Seattle. „In Washington liegen die Bären noch im Tiefschlaf.“

Das klang einerseits beruhigend, anderseits musste damit unsere komplette Tour von Kalifornien über Nevada, Wyoming, Montana, Südkanada, Idaho, Washington und Oregon umgeplant werden. Wer will schon im Schnee bergwandern und vor gesperrten Pässen stehen? Dumm gelaufen.

Anstatt Tiefschnee sollte es nun die Wüste von Arizona werden. Und anstelle von Schneematsch die Bergwelten von Kalifornien und Süd-Oregon. Wir planten zwei Wochen vor Reisebeginn unsere Tour komplett um und stornierten fast alle Unterkünfte. Unsere neue Route hieß nun: 3,5 Wochen lang: San Francisco – Victorville – Phoenix – San Diego – Shaver Lake – Reno – Redding – Medford – Wine Country – San Francisco; mit komplett neu gebuchten Hotels, Ferienhäusern und Condos. Spontane Umbuchungen und Stornierungen inbegriffen.

Keine Sehenswürdigkeiten und kein Disneyland. Anders als 2016, als wir San Francisco, Los Angeles, Yosemite Park, Palm Desert, Joshua Tree und die Mammutbäume  bestaunten, wollten wir diesmal (abgesehen von San Diego) dorthin, wo es für Touristen uninteressant ist. Wir suchten uns „langweilige“ Orte wie Bakersfield, Sunnyville, Lake Shasta und Redding aus – um uns abseits des Massentourismus zu bewegen und andererseits Kalifornien besser kennenzulernen. Wir versuchten auch, Motels und die üblichen Hotelketten zu vermeiden. Das gelang uns bis auf eine Ausnahme.

Südwesten-USA

Sportlicher Abflug

Diesmal probierten wir Lufthansa aus und hatten Glück, dass gerade nicht (mehr) gestreikt wurde. Der Flug ging über München mit fünfzig Minuten Umsteigezeit ab der Landung (nicht ab Ankunft im Flughafengebäude!). Wie sollte es anders sein: Wir hatten 15 Minuten Verspätung und mussten genau an das andere Ende des riesigen Flughafens – mitsamt Sicherheitskontrolle, etc. Wir nahmen es sportlich und flitzten wie die Gejagten quer durch das Terminal, im Zickzack an gelangweilten Reisenden vorbei und durch Gruppen hindurch, bis die Räder unserer Handgepäck-Trolleys qualmten – und schafften den rechtzeitigen Einstieg in unsere Maschine nach San Francisco.

Dummerweise hatte auch diese Maschine einen verspäteten Abflug. Ein Passagier mit einem arabisch lautenden Namen (Abdullah Irgendwas) fehlte an Bord und man durchsuchte den Laderaum nach seinem Gepäck. Die Stimmung an Bord war entsprechend bombig. Irgendwer fand den Koffer und vielleicht war der gute Abdullah nicht so sportlich unterwegs wie wir und suchte noch das richtige Terminal. Den Rest der Geschichte kennen nur die Fluggesellschaft und vielleicht sogar das BKA.

Der Flug war sehr angenehm, da auch die Zweierreihe neben uns frei war und wir uns ausbreiten konnten. Der Service an Bord war sehr zuvorkommend, das Filmprogramm konnte 12 Stunden unterhalten und das Essen gut. 12 Stunden später landeten wir im stets kalten San Francisco und holten uns von Hertz einen nagelneuen SUV Nissan Roque ab. Unser Hotel lag etwa eine Stunde südlich im Silicon Valley. Es konnte also nichts mehr schiefgehen.

Reisebericht-Blue-Ridge-Parkway-See

Der Berg von Phoenix

Unser Weg führte uns in zwei Etappen über Silicon Valley und dann einem Hotel in Sunnyville nach Phoenix, wo bei 39 Grad im Schatten ein Haus mit Pool auf uns wartete. Anders ist es dort nicht möglich, zu überleben. Phoenix selbst wirkt langweilig und ist wie viele andere US Metropolen endlos in die Wüstenfläche gebaut – ohne richtiges Stadt-Zentrum (oder wir haben es einfach nicht gefunden). Hippe Cafes wie das Tres Leches konnten wir nur in den abgerocktesten Stadtteilen finden, weil dort die Mieten noch halbwegs tragbar sind.

Wir beschlossen, unsere erste Wandertour auf Phoenix Hausberg auf morgens fünf Uhr vorzuverlegen, um möglichst trocken den Berg hochzukommen. Es wurde dann aber doch erst 7 Uhr :).

Der etwa 800 Meter hohe Berg ragte mitten aus der Stadt hinaus, hatte einen steilen Anstieg und war als „schwierig mit Kletterpassagen“ klassifiziert. Ganz ungewohnt für die USA waren wir hier nicht die Einzigen. Jede Menge frühaufstehende Freizeitsportler, meistens Jogger, waren um 7 Uhr morgens unterwegs, so dass der Berg einem Ameisenhügel glich. An uns vorbei huschte eine etwa 60-jährige Asiatin mit leichten Schuhen und mit einem Schlafanzug bekleidet.

Auf halber Höhe angekommen kam uns die Asiatin wieder vom Gipfel entgegen und es überholte uns ein zehnköpfige Feuerwehr-Einheit, die Tragbare und Geräte hochschleppten. „Da oben hat sich jemand den Fuß verknackst“, pustete einer der Retter. „Die Leute sind manchmal so verpeilt, dass sie ohne festes Schuhwerk und Sonnenschutz klettern.“ Aber wahrscheinlich war die Feuerwehr so zahlenmäßig zur Stelle, um nicht auf einen Schadensersatz in Millionenhöhe wegen unzureichender Maßnahmen oder ähnlichem verklagt zu werden. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten – auch, wenn vieles grenzenlos dumm erscheinen mag.

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In der Wüste mit dem Boot unterwegs

Arizona besteht größtenteils aus Wüste. Im Norden findet man in den höher gelegenen Regionen auch ein paar saftig grüne Gegenden und dann schließlich den gigantischen, schönen Grand Canyon. Es gibt auch ein paar Badeseen. Was eine besonders skurrile Note hat, sind die Autos mit Bootsanhängern, die durch die Wüste fahren, um an noch so kleine Badeseen zu gelangen.

Der nächstgelegene größere Badestrand ist der vier Autostunden entfernte Playa Encanto am Golf von Kalifornien in Mexiko. Er gilt als Hausstrand von Phoenix und ist für die Touristen entsprechend abgeschirmt – das heißt, die mexikanische Mafia ermordet dort die Menschen nicht (sichtbar), um besser am Tourismus mitzuverdienen – ähnlich wie in Cancun .

Aber die Einwohner von Arizona sind weniger Wasserratten als Wüstenfüchse. Zu den beliebtesten Hobbies zählen Quadfahren in der Wüste, Joggen bei 39 Grad im Schatten und natürlich alle Arten von Schießen. Amerikaner lieben ihre Knarren. Trotz Attentate wie dem von 2011 ist sogar das Tragen von Waffen auf öffentlichen Veranstaltungen und in Schulen in Arizona legal. Aber die Waffenliebe der Amis ist ein sehr komplexes Thema, das ich bereits in anderen Beiträgen behandelt habe.

Das ist in Kalifornien kaum anders.


SAN DIEGO IST EINE ENTE

Wir fuhren etwa nach einer Woche Arizona auf der südlichen Grenzroute wieder zurück nach Kalifornien. Wer nach Kalifornien einreisen will, egal ob von Oregon, Nevada oder Arizona aus, passiert kalifornische Grenzposten, die nach illegal eingereisten Ausschau halten, eben solange bis Trumps großer Grenzzaun steht.

Wir wurden durchgewunken und unser Weg führte nach San Diego, „wo man unbedingt gewesen sein muss, weil hier alles so entspannt ist“, warben US-Freunde von uns für diese Grenzstadt. San Diego ist für Touristen teuer und wir buchten für eine Nacht ein Zimmer im Best Western Hotel, das sich als schäbiges Motel inmitten einer zwielichtigen Gegend entpuppte. Wir sahen uns das muffige Zimmer an, beobachteten, wie Kinder einer Großfamilie die Zimmertür nebenan immer wieder laut auf und zuschlugen und stornierten sofort unser Zimmer, um spontan woanders etwas zu finden. Warum soll man sich so etwas im Urlaub antun und noch 120 Euro dafür bezahlen, fragten wir uns.

Wie sich herausstellte, gab es in San Diego keine bessere Unterkunft unter 200 Euro pro Nacht – zumindest nicht für diesen Zeitpunkt. Somit sparten wir uns diese entspannte Stadt. „Alles eine Ente“, dachten wir uns.

Fortsetzung Teil II

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