Bakersfield - Urlaub auf dem Bauernhof

Dann fuhren in Richtung unserer nächsten Etappe nach Norden – und wieder Bakersfield – „das Tor zum Yosemite Nationalpark“.

Bei unserer letzten Kalifornienreise 2016  hatten wir Bakersfield zur hässlichsten Stadt des Bundesstaates auserkoren. Diesmal war es eine Notlösung, abends spontan ein gutes, preiswertes Hotel zu finden, das auf unserer Route liegt und zudem freie Zimmer hat. Da nachts alle Katzen grau sind und die Schönheit eines guten Hotelzimmers die Hässlichkeit einer Stadt ausstechen kann,  zeigte der Finger auf der Landkarte wieder einmal auf Bakersfield. Unsere Wahl fiel auf das Marriot im Convention Center. Wir wollten uns etwas mit 4-Sterne-Ambiente gönnen.

Am Empfang nuschelte mich ein Inder im schlechtesten Englisch an und ich bat ihn mehrmals, seine Worte etwas klarer zu wiederholen. Nicht, dass ich etwas gegen Inder habe, aber ich habe bisher nur wenige von ihnen ein deutliches Englisch sprechen hören. Dann sprang seine Kollegin ein, die mich wie den Getränkelieferanten behandelte und mir genauso alle Instruktionen zum Einchecken gab. Da wir müde waren, verzichteten wir auf eine Auseinandersetzung mit ihr, dem Inder und dem Manager. Dafür hielt uns unser Zimmernachbar um Mitternacht mit einem lauten Fernseher auf Trab.

Was wir außerdem nicht wussten: Es fand eine Farmer-Messe statt und im Hotel herrschte reges Treiben und nervig lautstarke Kommunikation – wie von einem Trecker zum anderen. Ebenfalls am Frühstückstisch. Wieder eine Ente – aber diesmal in passender Umgebung. Das Marriot hatte sich in eine große Farm verwandelt und wir machten hier Urlaub auf dem Bauernhof – zum Glück nur für eine Nacht.

Südwesten-USA

Shaver Lake - das andere Kalifornien

Fluchtartig verließen wir Bakersfield und fuhren nicht zu Yosemite  sondern in eine „unbekannte“ Bergregion 50 Meilen südlich davon: Shaver Lake, wo wir für vier Nächte ein Apartment mitten im Wald auf 1500 Metern Höhe gebucht hatten, um dort zu wandern. Diese Gegend scheint ein Geheimtipp zu sein, da wir (abgesehen davon, dass die Amis kein Wandervolk sind) nur wenige Wanderer getroffen haben und es hier nur wenig Tourismus gibt.

Wir stiegen den Kaiser Peak auf, bewaffnet mit dem Bärenspray, das wir in der Wüste von Arizona gekauft hatten sowie Bärenglocke und einem sehr scharfen Messer, das einem Sicherheit gegenüber Bären vermittelt; auch, wenn es nichts bringen mag. Zu Beginn der Wanderroute entdeckte ich die frische Spuren eines Braunbären, der wahrscheinlich auf dem Weg zu ein paar Mülltonnen im Tal war. Somit wanderten wir weiter nach oben zum 3.200 Meter hohen Gipfel, stets in Erwartung, einem Bären Guten Tag zu sagen. Aber der Bär war wohl verhindert. Dafür trafen wir auf 2.000 Metern inmitten der steinigen Felsenlandschaft drei Pick-Ups, deren Fahrer aus Spaß an der Freude die Bergwelt erkundeten. Wenn jemand das motorisierte Bergwandern revolutioniert hat, dann können es nur die Amerikaner sein.

Insgesamt hat uns diese Gegend um den Shaver Lake sehr gut gefallen, da sie halbwegs normal war und man sich hier abseits des Massen-Touristenstroms erholen konnte. Entspannt ging es nach fünf Tagen von dort aus direkt in Richtung Nevada, an Lake Tahoe vorbei nach Reno.

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Fear and Loathing in Reno

Wir waren noch nie in einem Casino und spielen auch nicht. Aber in Las Vegas (und anderswo) locken große Casinos mit 4-Sterne Hotelzimmern und tollem Ambiente. Wir wagten in Reno einen Versuch, uns im Atlantis Casino, das als bauliches Wahrzeichen über die Stadt herausragt, für eine Nacht einzuquartieren und das besondere Flair einzuatmen.

Was wir einatmeten, als wir das Casino-Hotel betraten, waren dicke Nikotinschwaden. Rauchen ist in den meisten Casinos erlaubt. Man rauchte und daneben stand das Bier. Das in großem Ausmaß – auf mehr als geschätzten 2.000 Quadratmetern.

Das Cocktailkleid und den Smoking konnten wir in Reno an diesem Tag getrost gegen Hoody, Jogginghose und Flipflops eintauschen. Statt Golden Twenties gab es Harz-4-Ambiente.

Anstatt im Casino Royal begegnete uns hier der Verfall und die Tristesse der amerikanischen Gesellschaft. 80-jährige Frauen mit Rollator schoben sich zu den Spielautomaten, um ihre Rente aufzubessern. Obdachlose verspielten ihre letzten Dollars und man sah haufenweise graue Gesichter, die stundenlang in Automaten blickten. Es gab alle Arten von Glücksspiel: Mehrheitlich Automaten, daneben Karten-Tische und alle möglichen Sportwetten. Aber am Ende gewinnt immer das Casino. Andernfalls wäre dieses Geschäft nicht so lukrativ und es gäbe nicht so große Glücksspieltempel wie das Atlantis. Auch in Indianerreservaten werden gerne Spielcasinos betrieben, da es dort rechtlich möglich und eine gute Einnahmequelle ist.

Aber es gibt auch schöne Ecken in Reno. So haben wir sogar draußen gegessen: in Los Compadres. Daneben gibt es sogar einen Weinladen, ebenfalls mit Sitzplätzen im Freien und Bewirtung.

Nach unserem Aufenthalt in „the biggest little City in the World“ mit ihren knapp 250.000 Einwohnern fuhren wir weiter in Richtung Redding.

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Der Knast von Susanville und Redding

Auf unserer Tour zurück nach Kalifornien ging es in den Norden zum Lassen Nationalpark über Susanville, das eines der größten Gefängnisse Kaliforniens beherbergt. Man sieht es vom Highway aus. Aber „Susanville tanzt, lacht und ist ein kultureller Geheimtipp“: Die Stadt versucht mit Youtube Werbeclips dem Knast-Image zu trotzen. Doch Susanvilles Knast ist im ganzen County bis nach Redding Thema. Das erfuhr ich, weil mir meine Haare zu lang waren.

Wer etwas über Land und Leute erfahren will, sollte zum Friseur gehen. Die haarschneidende Zunft hat immer spannende Geschichten zu erzählen; ganz gleich in welchem Land der Erde so auch im nordkalifornischen Redding und ebenfalls über das Thema Susanville.

Ich ließ mir die Haare in der „Shasta Mall“ schneiden. „Sie sind sicherlich wegen der Bethel Church hier“ vermutete die etwa 20-jährige Friseurin. „Sonst haben wir hier keine Touristen. Redding hat einen sehr schlechten Ruf, was Kriminalität angeht.“ Ich musste sie enttäuschen, dass ich kein Sieben-Tage-Adventist der Pfingstbewegung, sondern eben stinknormaler Tourist war und nicht zu den geschätzten 8.000 Besuchern zählte, die wöchentlich wegen dieser Kirche anreisten.

Die Friseurin selbst war Atheistin, die aus einer Cherokee-Familie (ehemals aus Arkansas) stammte und mit ihrem Verlobten 2019 nach Idaho ziehen will. „Es ist uns hier zu heiß und auch zu kriminell“, verriet sie mir. „Hierher kommen die Schwerverbrecher, die in Susanville, dem härtesten Knast von Kalifornien saßen, weil das County Geld für jeden Ex-Sträfling bekommt, der hier wohnen darf. Für mich als Frau ist es gefährlich, alleine unterwegs zu sein.“

Auch in den laufenden Kommunalwahlen von 2018 war Susanville Thema und die Kandidaten betonten auf ihren Handzetteln und Plakaten, wie wichtig mehr Kapazitäten in den Gefängnissen und eben Sicherheit sind. Das merkten wir auch bei der Ankunft in unserer Unterkunft – einem Haus mit wunderschönen Garten in Bethel, einer der wohlhabenderen Gegenden von Redding. Dort begrüßte uns ein Schild am Anfang der Straße mit dem Verweis, hier nicht einzubrechen, da die Bürgerwehr aktiv sei.

Als wir am frühen Nachmittag den Schlüsselcode eingaben, ging erstmal die Alarmanlage an. Sie war laut und nervig. Keine aktive Bürgerwehr in Sicht und auch die Polizei kam nicht. Dafür schaffte es unsere Vermieterin, die Alarmanlage per Fernsteuerung vom Handy aus abzuschalten. Sehr beruhigend, dachten wir uns. Wenn der Einbrecher kommt, dann rufen wir wieder die Vermieterin an, damit sie wenigstens die nervige Alarmanlage ausschaltet.

Das Haus selbst war liebevoll eingerichtet – vielleicht mit etwas zuviel Liebe. An den Wänden hingen sämtliche Bibelverse, auch von Bethel Church CEO Bill Johnson. Wenn wir schon nicht diese umstrittene Kirche aufsuchten, so kam sie zu uns – in unser Feriendomizil. Wir waren tagsüber ohnehin viel unterwegs, so dass wir keine Zeit hatten, die Bibelverse auswendig zu lernen.

Nach außen hin wirkt Redding auf den ersten Blick wie eine normal-langweile US-Kleinstadt, hier und dort ein paar Obdachlose und ansonsten viele schöne Wohngegenden. Für uns war Redding interessant wegen seiner Lage zu den wundschönen nordkalifornischen Bergregionen; insbesondere zum 4.322 Meter hohen Vulkan Mount Shasta.

 

Bergwandern mit Klapperschlange

Wir legten unser Wanderoutfit an und meine Frau suchte uns einen passablen Bergweg am Lake Shasta – nah genug am Wasser, um bei 39 Grad im Schatten in die Fluten zu springen. Ich behielt den Blick nach oben, um Berglöwen und Bären rechtzeitig zu sehen und meine Frau guckte nach unten, um Hindernisse zu erkennen. Nach einer Stunde durch den schattigen Pfad hörten wir ein schnatterndes Geräusch und meine Frau fragte mich, was das denn sei. „Das sind Grillen“, hörte ich mich sagen, während mir einfiel, dass ich seit unserem Aufenthalt in Kalifornien kein einziges Zikadengeräusch wahrgenommen hatte.

Sie stieß hinter mir einen kurzen Zischlaut aus und ich verstand nur „Spinne“. „Nee, große Spinnen gibt es hier nicht.“ entgegnete ich, während zehn Zentimeter neben meinem rechten Bein eine Klapperschlange zischte. Ich ging zum Glück weiter, als mir die Situation klar wurde. Ein Biss und man hat 60 Minuten Zeit, in‘s nächstgelegene Krankenhaus zu gelangen – am besten mit Foto von der Schlange (bitte lächeln) – es gibt 29 Arten und ebensoviele Gegengifte.

Die Klapperschlange zischte weiter und hatte Nachsicht mit mir. Meine Frau blieb rechtzeitig stehen und weigerte sich fortan, weiterzugehen. „Ich mache keinen Schritt weiter. Ich bleibe hier.“ Ich musste sämtliche Überredungskünste anwenden. „Das ist doch nur eine kleine Schlange – die ist ganz lieb“, versuchte ich sie zu beruhigen. Schließlich holte ich sie ab und wir machten durch das Gestrüpp einen großen Bogen um die Schlange (sechs Meter sollten es laut Survival-Ratgeber mindestens sein). „Das reicht mir für heute – ich will zurück“, zischte sie und fortan nahmen wir den ganzen Rückweg genauestens unter die Lupe.

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Oregon: Zu Besuch bei Bonanza

Nach 5 Tagen Redding verließen wir Kalifornien und fuhren nach Medford, Oregon, wo wir in einem Haus einer (verstorbenen) Künstlerin wohnten. Drumherum Berge und schöne Natur – wie der Crater Lake (der angeblich sauberste See der Welt).

Wenn man nicht wüsste, dass Oregon enorm hohe Grundstückspreise und Mieten abruft, könnte man denken, dass dieser Bundesstaat das Erbe von Kalifornien der 70er Jahre angetreten hat. Vieles wirkt hier ursprünglicher und „normaler“ als im High Tech-Nachbarstaat.

Mit unseren Freunden aus Minnesota sind wir auf die historische Stadt Jacksonville gestoßen, wo es nur Gebäude im alten Westernstil gibt und die Leute ganz normal leben. Keine Franchise-Ketten – das Stadtbild (abgesehen von den Autos und der Beleuchtung) wie vor 150 Jahren.

Dann haben wir uns in den Weingüter umgesehen und landeten im besagten Kalifornien der 70er Jahre. Es hatte sich in einem Weingut für abends am Fluss openair eine Band angesagt. „Irgendwas mit Oldies und Rock“ meinte die Angestellte der Red Lily Vineyards und sogar mit Weintrinken im Freien (weil Privatgelände).

Wir staunten nicht schlecht, als die Schwulen- und Lesbencommunity der Umgebung eintrudelte und wir alle zusammen mit der Band eine ausgelassene Party wie zu Flower Power Zeiten feierten. Mit Bonanza (das im Übrigen nicht weit von Medford liegt) hat das alles herzlich wenig zu tun. Mehr mit „Aquarius“ und „White Rabbit“. Das nächste Mal bleiben wir länger als sechs Tage in Oregon. Vielleicht sogar, um auf dem Oregon Trail zu wandern.

Und auch der Wein war nicht ganz so schlecht. Deshalb entscheiden wir uns für den Abschluss der Reise ebenfalls für ein Weingut nahe San Francisco. Der Weg dorthin führte an 2000 Jahre alten Redwoods vorbei, die wie zufällig am Straßenrand standen und in schwindelerregende Höhe ragten. Zuerst dachten wir, zu viel Flower Power, bis wir wir wahrnahmen, dass diese Bäume echt waren.

Im Wine County auf dem Trockenen

Unsere letzte Station war Sonora County, die Weinregion nördlich von San Francisco. An einem Montag erreichten wir unser Bed and Breakfast in Cloverdale – eine ehemalige Jagd-Ranch auf einer Anhöhe mit Blick auf die Weinreben. Alles war gut geplant und nun fragte ich die Vermieterin nach einem schönen Vineyard, wo man den kalifornischen Wein probieren könne. „Wir haben heute Montag“, antwortete sie mir. „Da haben die Vineyards geschlossen.“ Einzig die paar Burger-Läden und die Supermärkte hätten geöffnet. Wir kauften uns im Supermarkt eine Flasche regionalen Wein und fanden dann trotzdem noch eine Art Bar-Restaurant-Kneipe mit Plätzen draußen. Das schreibe ich bewusst so, da die Amis keine Biergartenkultur besitzen und in den seltensten Fällen draußen ein schönes Ambiente schaffen. Vielmehr stehen Tische und Stühle in einer lieblosen Area nebst Parkplatz und Mülltonnen. Essplätze draußen eben.

Neben unserem Essplatz traf sich eine Frauenrunde, mit der wir schnell in‘s Gespräch kamen. Darunter eine gebürtige Schweizerin, die gerade vor der Eröffnung ihres Coffee-Shops nach Amsterdamer Vorbild stand – also aus dem Hanf-Business. Und das im Wine County. Die anderen Frauen waren ebenfalls Unternehmerinnen. Eine andere betrieb den Friseursalon von Cloverdale, während ihr Ehemann im Bezirksgefängnis kochte. Nachdem sich die Frauencombo verabschiedete, knatterte ein motorisiertes Dreirad heran und ein beleibter älterer Schwarzer gesellte sich zu uns. Er hatte als Marine-Soldat die halbe Welt gesehen und arbeitete als Türsteher in Fresno. Mit seinem Dreirad kam er gerade nach einer siebenstündigen Fahrt aus Oregon von einem Familienbesuch, um weiter nach Sacramento zu gelangen, wo er bei seiner Tochter einen Zwischenstop einlegte. Als wir auf Trump zu reden kamen und seine Sicht der Dinge erfahren wollten, meinte er: „Das ist von Gott bestimmtes Schicksal und die Zeiten werden sich nicht in einigen Jahren zum Besseren verändern.“ Gods own Country eben.

Back to Black

Am Tag darauf verließen wir Gottes Land – wieder von San Francisco aus. Diesmal haben wir Kalifornien anders in Erinnerung – die Schönheiten und Widersprüchlichkeiten jenseits des Touristenstroms. Der Norden des Bundesstaates, Arizona und Oregon sind stets eine Reise Wert. Und als Tipp für die Unterkünfte: Motels vermeiden, möglichst große Hotelketten vermeiden und lieber familiengeführte Hotels und Bed’n Breakfast – besser noch Apartments und Ferienhäuser buchen. Zum Friseur gehen, wenn man mehr über die Gegend erfahren will und am besten selbst kochen (Einkaufen bei Sprouts), wenn man Wert auf gute Mahlzeiten legt (und kochen kann).

Das Argument, das man stets nach USA Urlauben zu hören bekommt: „Wir fahren nicht zu Trump“, während dieselbe Leute reiselustig nach Indien, Arabien, Russland, in die Türkei, nach Kuba oder in südostasiatische oder afrikanische Diktaturen und „Bananenstaaten“ fliegen. Dann lieber einen Zirkus mit Clown als einen Käfig mit Tiger.

Wir kommen wieder!

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