Ligurien und Cinque Terre

Wohin fährt man im Juli 2015, wenn man spontan eine Woche Urlaub im Süden machen will und ganz Europa unterwegs ist? Nach reiflicher Überlegung entschieden meine Frau und ich uns für Italien. Genauer gesagt: die Region Ligurien oberhalb der Toskana, wo überwiegend Italiener als Urlauber anzutreffen sind.

Die Deutschen findet man in Norditalien mehrheitlich in Venetien und Emiglia Romana (Adriaküste, wo die Ballermannstrände von Catholika und Rimini sind) sowie am Gardasee und in der Toskana. Ligurien ist vielen zu bergig und zu individuell. Außerdem mit dem Auto zu weit entfernt.

Wenn man dann noch eine Unterkunft sucht, die sich nicht direkt am Strand befindet und etwas abgelegen ist, kann man selbst zur Sommerferienzeit Glück haben, etwas Schönes zu finden.

Wir landeten am Flughafen Bergamo, von wo aus wir mit dem Mietauto etwa vier Stunden in Richtung La Spezia an der Mittelmeerküste unterwegs waren. In der Nähe von dieser kleinen Hafenstadt sollte unsere Unterkunft liegen. Mitten in den Bergen im Valletal auf 1.000 Metern Höhe in einem kleinen Dorf mit Panorama-Blick.

Nahezu kein Tourismus und eine kurvenreiche Autostunde vom Strand entfernt (meine Frau ermahnte mich stets zum langsameren Fahren, um das bereits eingenommene Frühstück nicht im Auto zu verteilen). Individueller ging es kaum: Wir hatten ein Apartment mit Selbstversorgung, die Vermieter sprachen nur Italienisch und das Frühstück aus regionalen Spezialitäten wurde für alle an einem großen Tisch serviert. Nur die hauseigene Kuh fehlte, von der die Milch herkam.

In der Hotelbewertung schwärmten die Gäste in höchsten Tönen von der ligurischen Kochkunst des Vermieters. Aber da wir eher zur Candellight Dinner-Fraktion gehören, wollten wir Ambiente anstatt großer Tisch für alle und aufgezwungene Gespräche mit anderen Gästen. So kochten wir selbst „ligurisch“ bzw. das, was wir uns darunter vorstellten.

Viel Pasta, Taleggio, Prosciutto und natürlich regionaler Wein. Absolut individuell eben. Mit dem Vermieter verständigten wir uns in einer Mischung aus Latein, Spanisch, Englisch, Französisch und Pantomine. Ich kam mir dabei vor wie der multilinguale Ketzer-Mönch in Uberto Ecos „Name der Rose“, nur, dass es keine Leichen gab und das Kloster eine kleine Pension war.

Südwesten-USA

Wandern bis zum Umfallen

Da wir ohnehin in den Bergen sind, sollten wir etwas wandern, dachten wir uns und wählten eine Route durch Cinque Terre, einer malerischen Weltkulturerbe-Gegend mit fünf berühmten Dörfern aus. Unser Plan: Gut ausgeschlafen am Mittag das Auto am Bahnhof von Levanto abstellen, mit dem Zug etwa fünf Stationen nach Corniglia fahren, um von dort aus fünf Stunden nach Levanto zurück zu wandern. Ganz nebenbei: Mittags stieg das Thermometer auf 37 Grad im Schatten.

Wir lösten die Tickets, stiegen in den Zug nach Corniglia. Wie es sich am Bahnhof herausstellte, war aber der Wanderweg von Corniglia aus gesperrt. So wollten wir eine Station zurück nach Vernazza. Der Zug hielt aber trotz Fahrplan nicht in Vernazza, sondern in Monterosso dem Nachbarort von Levanto. Hartnäckig wie wir waren, wollten wir aber nach Vernazza.

Also stellte ich mich beim Schalter hinter etwa fünf Wartende an, um ein weiteres Ticket zu kaufen. Der Schalterangestellte regte sich aber nicht. Er saß vor den Wartenden und starrte Löcher in die Luft. Gefühlte 20 Minuten vergingen, bis der nächste an der Reihe war. Das erinnerte mich an ein typische Berliner Postfiliale.

Nachdem weitere Wartende aufgaben, war ich an der Reihe und bekam im Zeitlupentempo meine Tickets. Der Zug fuhr bereits ein und wir entdeckten „bekannte“ Gesichter anderer Wandervögel, die wir schon auf der ersten Zugstrecke gesehen hatten.

Es hätte auch alles entspannter sein können – aber das will man doch nicht wirklich

Überraschenderweise hielt der Zug in Vernazza und wir stiegen mit fünfhundert anderen Touristen aus, um uns durch die enge Altstadt zum Wanderweg zu drängeln. Dieser bergige Küstenwanderweg kostete im Übrigen 10 Euro „Eintritt“. Es war bereits 14 Uhr, als wir loswanderten. Getrieben vom Ehrgeiz, sämtliche Wanderer zu überholen und vom Elan meiner sportlichen Frau erreichten wir Monterosso nach nur einunddreiviertel statt der ausgewiesenen zweieinhalb Stunden. Dann kam das letzte Stück von Monterosso nach Levanto. Auf der Karte sah das aus wie ein Katzensprung von einer Bucht zur anderen. Dann ging es auf einem treppenartigen „Wanderweg“ bergauf.

Alle zehn Minuten dachte ich, diese mit  Holzbalken versehenen „Treppenstufen“ würden in einen normalen Wanderweg übergehen.

Aber meine Annahme war falsch. Wie eine alte Dampflok keuchte ich den Berg hinauf. Der Schrittzähler meiner Frau zählte 183 „Stockwerke“, als wir ganz oben ankamen.

Ich hatte inzwischen in den Meditationsgang umgeschaltet, in dem nur noch der Wille den Körper hochtrieb und in dem ich zwei Stimmen in mir vernahm: „Halte durch, es ist ein sportlicher Wettkampf und du wirst fit wie ein Turnschuh“ sagte die eine, „warum tust du dir das an – Autofahren ist viel schöner“ sagte die andere Stimme.

Nach gefühlten 10 Stunden – es waren aber nur zweieinhalb – erreichten wir Levanto und das geliebte Auto.

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Geheimtipp Levanto

Wie bei vielen unserer Reisen fuhren wir erstmal die ganze Region ab, um die schönsten Orte zu erkunden. In unserem Fall ging die Rundreise durch fast ganz Ligurien von La Spezia über Genua hoch bis Alassio. Nahezu alle Küstenorte waren überlaufen bis auf eine kleine malerische Küstenstadt: Levanto. Vielleicht liegt das daran, dass Levanto im Schatten des benachbarten Touristenmagnets Monterosso liegt.

Diese pittoreske Hafenstadt beheimatet einen schönen Sandstrand, der kostenfrei ist (im Gegensatz zu vielen anderen Stränden) und viele enge Gassen voll mit kleinen Geschäften, Bars und Trattorias. In den Bars bekommt man üblicherweise zu den Getränken kleine Speisen gratis serviert. Am Abend besitzt die Stadt eine lauschige Atmosphäre, da alt und jung rund um den zentralen Platz nahe des Strandes flanieren oder die Bars füllen. Die Anzahl der Touristen ist trotz Ende Juli überschaubar. Keine Massen oder gar Kommerz-Flaniermeilen. Wer es romantisch sucht oder über 40 ist, sollte sich hier wohl fühlen.

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Florenz ohne Uffizien

Nur am Strand liegen wird auf die Dauer langweilig. Deshalb musste eine Sehenswürdigkeit her: Florenz, die Uffizien.

Die toskanische Prachtstadt der Medici lag etwa zwei Autostunden und geschätzte fünf Mautstellen von unserem Urlaubsdomizil entfernt. Wer in Italien Autobahn fährt, freut sich, dass bei uns eine Autobahngebühr für Ausländer geplant ist. Der innereuropäischen Gerechtigkeit halber. Alle paar Kilometer wird man hier zur Kasse gebeten. Alleine die Fahrt von Bergamo nach La Spezia kostete ca. 40 Euro.

In Florenz selbst ist zwar das Autofahren kostenfrei, aber das Parken nicht. Nachdem man ein freies Parkhaus entdeckt hat, kann der Stadbummel losgehen, während die Parkuhr tickt. Aber für zwei Euro pro Stunde lohnt sich Florenz dennoch. Eine wunderschöne Stadt mit großartigen klassizistischen Prachtbauten, kleinen Gassen, der malerischen Ponte Vecchio (historische Brücke mit Häusern und Goldläden) und einer schönen Kathedrale.

Bei den Uffizien, dem weltberühmten Gemälde-Museum mit einer außergewöhnlichen Kunstsammlung, stand eine außergewöhnliche Schlange, die länger war als an dem Gemüse-Döner am Mehringdamm in Berlin. Anders ausgedrückt: zwei Stunden Wartezeit und vier Euro zusätzliche Parkgebühr.

Für weitere 10 Euro gab es die Express-Schlange. Aber wir waren ja nicht nach Italien gefahren, um dort den maroden Staatshaushalt zu sanieren, sondern um Urlaub zu machen. Also strichen wir die Uffizien aus unserer Liste und gingen stattdessen ein schönes dickes Eis essen. Das schmeckt bei 35 Grad im Schatten und in Italien besonders gut.

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Ligurien ist immer eine Reise wert

Auf dem Rückweg nach Bergamo, wo wir die letzte Nacht in einem Flughafenhotel verbrachten, um am nächsten Morgen um fünf Uhr früh zum Flughafen zu fahren, regenete es in Strippen. Wir beschlossen, noch einen romantischen Abend in einem örtlichen Restaurant zu speisen.

Während wir die Karte studierten, wurde diese Gstronomie zu einer Kindergeburtstagsparty umfunktioniert und inmitten 13-jähriger kreischender Mädels und überforderten Eltern saßen wir beim Candellight Dinner mit überteuerten Mini-Speisen für unseren Maxi-Hunger. Die Italiener lieben ihre Bambinis und wir unsere Ruhe. So verabschiedeten wir uns von Ligurien und Bella Italia. Das nächste Mal nur noch selbst kochen und notfalls den Camping Kocher mit ins Hotel nehmen…

Du willst noch mehr über Italien lesen? Dann empfehlen wir dir unseren Reisebericht Sizilien.
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